Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben, aber die Last sollte gerecht verteilt werden. Dass die Klimaschädigung durch eine CO2-Steuer bezahlt werden muss, ist inzwischen fast unstrittig.
Nach welchem Modell das am besten funktioniert, darüber spricht auch die Sendener Agenda-Gruppe. Hier ein Textausschnitt eines Beitrages von Rob Kenius:
09. August 2019 Rob Kenius
Eine flexibler Lösungsvorschlag
Von der Parole zur Realisierung
… Es soll der Ausstoß von CO2 aus Schornsteinen und Auspuffrohren besteuert werden und der ist äußerst vielseitig und umfangreich, weil CO2 bei fast jeder Verbrennung entsteht: in Kraftwerken, Heizanlagen, Verbrennungsmotoren. Eine Ausnahme bildet die Verbrennung von Wasserstoff, bei der nicht CO2, sondern Wasser entsteht.
Den Ausstoß von CO2 beim Einsatz fossiler Brennstoffe kann man aber nicht direkt besteuern, weil die Mengen sich von Staats wegen nicht leicht bestimmen lassen. Doch die Chemie legt quantitativ fest, wie viel CO2 bei der Verbrennung eines bestimmten Materials entsteht. Man wird also das Brennmaterial besteuern, Heizöl, Diesel, Benzin, Kohle, Erdgas, Braunkohle.
Doch gleich tauchen skeptische Fragen auf. Soll man Holz ebenfalls besteuern oder Bio-Diesel? Oder besser gleich die produzierte Elektrizität? Der Strom aus der Steckdose wird am Ende durch eine CO2-Steuer in jedem Fall teurer, wenn fossile Brennstoffe besteuert werden, weil die Stromerzeuger ihre Kosten auf die Endverbraucher abwälzen. Sie werden die CO2-Steuer auf den Endpreis draufschlagen. Der Stromverbraucher zahlt dann für den Ausbau der sogenannten erneuerbaren Energie und obendrein für das immer noch erzeugte CO2. Und die Energiekonzerne machen weiter satte Gewinne.
Wie soll die CO2-Steuer also realisiert werden? Es besteht wie immer die Gefahr, dass Ministerien unter Leitung bekannter Parteigrößen ein hochkompliziertes Gesetz vorlegen, das von Experten und Lobbyisten gestrickt wurde und glatt durch das Parlament geht, bis sich dann nach zwei oder drei Jahren herausstellt, dass dieses Gesetz in der praktischen Anwendung nicht den gewünschten Effekt bringt, nämlich den CO2-Ausstoß zu verringern.
Zwischen der Parole CO2-Steuer und dem Ziel Reduzierung der Treibhausgase steht ein Umsetzungsverfahren, das noch niemand überschaut. Da muss viel verhandelt, abgewogen, geplant, formuliert, mit Wahlprogrammen abgestimmt und verwässert werden.
Steuern mit Steuern
Das Ziel ist und bleibt, mit einer Steuer die Energiewirtschaft und den Konsum so zu steuern, dass die Erdatmosphäre und die Umwelt besser weg kommen und dass die Erzeuger und Verbraucher sich bewusster und disziplinierter verhalten, weil sie finanziell belastet werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es aber ein besseres Modell: Eine Steuer, die nicht erst neu zu schaffen und schwierig zu definieren ist. Wie wäre es mit einer Steuer, die bereits existiert und dann die Erzeugung und Emission von CO2 als Sonderfall enthält. Im Klartext: Man kann die erprobte Mehrwertsteuer als eine generelle Verbrauchssteuer so erweitern, dass sie eine gesonderte CO2-Steuer überflüssig macht und die gewünschten Ziele im Umweltschutz nicht nur durch Belastung von CO2, sondern auf sehr vielfältige Weise erreicht.
Diese flexibilisierte Verbrauchssteuer ist eine gestaffelte Mehrwertsteuer.
Staffelung der Mehrwertsteuer
Die CO2-Steuer müsste in jedem Fall die Eigenschaft haben, dass sie nicht akkumuliert, das heißt, dass sie nicht auf Erdöl und dann auf Benzin und andere Erdölprodukte zweimal und dreimal erhoben wird, sondern dass sie nur einmal greift. Genau so funktioniert ja die Mehrwertsteuer, die im Steuerverfahren immer wieder verrechnet wird, indem man die Vorsteuer abzieht.
Einfacher als eine neu zu konstruierende CO2-Steuer wäre es also, die Besteuerung von CO2 als Sonderfall in die Mehrwertsteuer zu integrieren. Das ist möglich durch eine Staffelung, so dass die MWSt für verschiedene Produkte, die mehr oder weniger CO2-Ausstoß bewirken, höher oder niedriger ausfällt. Das geht natürlich nicht mit der jetzt bestehenden Mehrwertsteuer, die nur drei Sätze kennt: 19%, 7% und null.
Diese Staffelung ist weder logisch noch praktisch, noch rechnerisch einfach. Sie verlangt aber trotzdem die Einordnung jeder Ware, Leistung oder Gebühr in eine der drei Stufen. Mit wenig mehr, vielleicht sogar geringerem Aufwand kann man eine MWSt erheben, die aus zwei Komponenten besteht: einem MWSt-Satz und einem Faktor oder Multiplikator, beides im einstelligen Bereich.
Der Einfachheit halber sollte der Multiplikator acht Stufen haben, von null bis sieben, digital darstellbar durch drei Bits. Der MWSt-Satz könnte generell für alle Waren und Leistungen bei 7% liegen. Das ergäbe mit dem Faktor 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 folgende Staffelung: 0%, 7%, 14%, 21%, 28%, 35%, 42%, 49%.
Mit so einer Staffelung könnte man, je nach dem Anteil von CO2, Waren und andere Leistungsangebote differenziert besteuern. An der Spitze, Heizöl und Erdgas mit dem Faktor 7=49%. Den Transport mit LKWs würde man geringer belasten, etwa mit Faktor 4=28% und Taxifahrten oder Busreisen, die Dienstleistungen darstellen mit geringerem Kraftstoffverbrauch, bekämen etwa den Faktor 3=21%.
Die Staffelung in acht Stufen dürfte reichen, um alle umweltschädlichen Verfahren und Produkte, aber auch gesundheitsschädliche Dinge auf intelligente Weise zu verteuern und gleichzeitig andere Wirtschaftsgüter von der Verbrauchssteuer zu entlasten. Es ist zum Beispiel wenig sinnvoll, dass für die Leistungen von Handwerkern, die ohnehin durch den hohen Lohnanteil stark mit Abgaben bedacht sind, auch noch mit der vollen Mehrwertsteuer 19% belegt werden, genauso hoch wie Rotwein, Flaschenbier, Schokoriegel oder Porno-Videos. Wenn handwerkliche Leistungen billiger werden, wird das Bauen billiger und Reparaturen aller Art werden rentabler.
Flexible Steuer für unterschiedliche Leistungen
Auch die Gastronomie hat in ihren Endpreisen einen sehr hohen Anteil an Lohnkosten bei voller Mehrwertsteuer. Es täte der urbanen Kultur gut, wenn beim Endpreis an der Theke oder am Tisch im Restaurant der Faktor 1 und damit ein Satz von nur 7% gelten würde. Das gilt natürlich nicht für den Einkauf von Getränken, da sollen Wirte genau so viel MWSt zahlen wie alle anderen.
Es tut sich da ein weites Feld an Möglichkeiten auf und gleich wird klar, dass CO2 nicht das einzige Produkt ist, das eine besonders hohe Besteuerung verdient. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Faktor 5 auf übermotorisierte Fahrzeuge: Motorräder, Sportwagen und SUVs? Wer solche Geräte benutzt, zeigt doch klar seinen Willen zum erhöhten Energieverbrauch und zum CO2-Ausstoß und zeigt gleichzeitig auch die Bereitschaft, sich die Sünde etwas kosten zu lassen. Faktor 7 und damit 49% wären auch nicht zu viel für erotische Darbietungen jeder Art sowie für Hubschrauber und deren Benutzung, für Privatflugzeuge und, last not least, für Kerosin.
Die gestaffelte Mehrwertsteuer macht nicht nur eine separate CO2-Steuer überflüssig, sie bietet auch die Möglichkeit für eine extra scharf gewürzte Steuer auf Kerosin, die längst schon überfällig ist. Es wäre dann auch vernünftig, auf der anderen Seite den Multiplikator für Tickets der Bahn und im öffentlichen Nahverkehr auf Null zu setzen. Was macht es für einen Sinn, wenn der Staat Gebrauchssteuern kassiert von Unternehmen die er auf der anderen Seite, im Interesse der Allgemeinheit, subventionieren muss?
Steuern und Politik
Hallo schwarz-rot-grüne Partei! Wenn du dies liest, vergiss einmal die gut gemeinten Sprüche und Parolen, sondern begib dich in die konkrete Welt der Zahlen. Es wird nur das kleine Einmaleins verlangt. Schluss mit dem Herumgedruckse auf dem Biomarkt! Statt dessen Faktor Null für alle Lebensmittel, die direkt vom Erzeuger an die Kunden verkauft werden. Faktor 1 für alle echten Bio-Produkte, in allen Branchen, nicht nur bei Lebensmitteln, aber für Wegwerf-Plastik wenigstens Faktor 5 und, leider muss ich es sagen, auch für Wein wäre Faktor 5 angemessen und Faktor 4 für Öko-Wein.
Die Gefährdung der eigenen Gesundheit sollte selbst in Zeiten der Klimawandel-Diskussion strenge Beachtung finden, genau so streng wie Umwelt-Vergehen. Also Faktor 4 auf Fleisch, auch auf Frischfleisch. In den üblichen Verbrauchsmengen belastet Fleisch enorm die Gesundheit und bei der Erzeugung werden CO2 und Methan freigesetzt. Wenn Umwelt und Gesundheit gleichzeitig krass gefährdet sind, gibt es selbstverständlich die maximal schlechteste Bewertung: Multiplikator 7 und damit 49% MWSt auf alle Unkrautvernichtungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel, egal was die wissenschaftlichen Studien und der Bauernverband dazu sagen.
Die gestaffelte Mehrwertsteuer ist ein flexibles Werkzeug, ähnlich wie eine Flex. Das kann auch Nachteile haben. So eine Flex kann Unheil anrichten, wenn sie in falsche Hände gerät. Die gestaffelte Mehrwertsteuer kann in Händen der falschen Politiker dazu verleiten, das Steueraufkommen beliebig zu erhöhen und, was besonders nachteilig ist, schon die Idee kann dazu führen, dass Politikerinnen und Politiker sich in Debatten über Waren, Warengruppen und Dienstleistungen verheddern, so dass ein Beschluss für die Staffelung der MWSt erst gar nicht zustande kommt. Das ist im heutigen Politbetrieb leider der Normalfall, insbesondere dann, wenn Experten aus der Wirtschaft (Lobbyisten) hinzugezogen werden, etwa die Hersteller von Sozial unverträglichen Vehikeln (SUVs) aus der Automobilindustrie.
Dieses letztere Problem wird aber die CO2-Steuer, die jetzt in vieler Munde ist, in gleichem Maße treffen. Die angepeilte CO2-Steuer muss je nach Menge des CO2-Gases, das für ein Produkt freigesetzt wird, ja auch irgendwie gestaffelt sein und möglichst gerecht auf die Endkunden (nicht nur auf die Verbraucher!) verteilt werden. Mit einem klaren und transparenten System aus einfachen Zahlen ist dies besonders einfach und übersichtlich.
Das System der gestaffelten Mehrwertsteuer kann auch leicht variiert werden, denn es gibt zwei Parameter. Man kann jeden Artikel mit einem anderen Multiplikator nach oben oder unten einstufen und dann das Gesamtaufkommen der MWSt durch einen Steuersatz von 5% bis 9% festlegen. Bei langen Verhandlungen zwischen Interessenvertretern und Ausgleichspolitikern sind auch Stellen hinter dem Komma diskutabel, obwohl das eigentlich nicht so gedacht war.
Wir brauchen Politiker, die sich nicht scheuen, deutlich zu erklären, was sie wollen, und die das dann auch durchführen. Wir brauchen Wähler, die sich nicht auf Wischi-Waschi-Parolen einlassen, wie mehr Wohlstand für alle. Auch der Lockruf nach einer CO2-Steuer genügt nicht, um konkret etwas zu erreichen, weil CO2-Steuer bis jetzt nur ein Schlagwort ist. Wesentlich besser ist das flexible System einer gestaffelten Mehrwertsteuer mit zwei Parametern.
Das Prinzip der gestaffelten MWSt entstammt dem Buch „Leben im Geldüberfluss. Umwelt und Politik im Griff der Finanzwelt“ von Rob Kenius.