Zu wahr um schön zu sein – die Welt könnte so genial sein
Jahrelang und auch heute erzählen uns Politiker, die Klimakrise müsse durch technischen Fortschritt gelöst werden. Verzicht und Askese alleine würden es nicht bringen und schließlich lebten wir in einer Marktwirtschaft und nur entlang marktwirtschaftlicher Mechanismen könnten echte CO2 Ersparnisse möglich sein. Die vielversprechende (deutsche) Ingenieurskunst soll es richten, darauf vertrauten die Politiker, so das immer wiederkehrende Mantra insbesondere aus FDP und CDU. Die gute Nachricht: was für eine echte Energie- und damit Verkehrs- und Wärmewende notwendig ist, haben die so hoch gelobten Ingenieure bereits geschaffen: es gibt langlebige, effiziente Photovoltaik-Anlagen, es gibt gute und große Speichermöglichkeiten und es gibt sogar Elektroautos, die wir mit Sonnenenergie vor Ort betanken (könnten). Die Ingenieure haben einen super Job gemacht. Nun ist die Politik gefragt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Marktmechanismen ihre Wirkung entfalten können: die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen steigt ja bekanntlich, wenn man dadurch Geld sparen kann, z.B. könnten Gewerbetreibende ihre großen Dachflächen mit PV-Anlagen ausstatten, damit Elektroautos von Mitarbeitern und Firma laden oder den eigenen Strombedarf dadurch zumindest teilweise decken. Und auch die erhöhte Nachfrage nach Elektroautos würde das Angebot nochmal mehr in Schwung bringen und damit die so oft zitierte schwierige Wirtschaftslage und den Produktionsstandort Deutschland zukunftsfähiger machen.
Man möchte an dieser Stelle erwarten, dass Politiker sich die Hände reiben, um endlich die genialen Errungenschaften hoher Ingenieurskunst mit Hilfe von gesetzlichen Rahmenbedingungen in marktwirtschaftliche Selbstläufer zu überführen und die notwendige Verkehrs- /Energie- und Wärmewende zu vollziehen. Doch was passiert? Es wird still und heimlich ein Gesetzesentwurf, eine „Novelle“ des EEG vorgelegt, die es Firmen verbietet, selbst erzeugten Strom auch selber zu nutzen, denn der erzeugte Strom muss ins Stromnetz eingespeist und wieder zurückgekauft werden, und das nicht besonders wirtschaftlich für den Anlagenbetreiber. Gleichzeitig verkennt das Gesetz die Möglichkeiten dezentraler Produktion und Nutzung von Strom, die durch mittlerweile sogar industriell herstellbare Stromspeicher realisierbar ist. Die Investition von Privathaushalten und insbesondere Gewerbetreibenden in Photovoltaik wird dadurch in weiten Teilen unwirtschaftlich und überbürokratisiert. Dabei sieht die EU Richtlinie sogar verpflichtend eine umfassende Bürgerbeteiligung vor, die zwingend auch in deutsches Recht überführt werden muss.
Die Politik schützt so die alte Stromerzeugung mit fossilen Energieträgern, die mit Hilfe unserer Steuergelder jedes Jahr mit 46 Milliarden Euro subventioniert wird, anstatt Bürgern und Firmen Photovoltaikanlagen und Speichermöglichkeiten zu subventionieren und der Bevölkerung zu ermöglichen, sich aktiv an der Energiewende und somit auch wirkungsvoll an der Klimapolitik zu beteiligen. Der Bevölkerung werden die Hände gebunden, sich aktiv in die Bewältigung der Klimakrise einzubringen. Da kommt es den Politikern gerade recht, dass sich die Bürger vor Ort um die schöne Aussicht aus dem eigenen Küchenfenster streiten, die droht durch Windenergieanlagen zerstört zu werden. So können sie sich in aller Ruhe um ein Gesetz kümmern, das den Lobbyisten der fossilen Stromerzeuger ihr Geschäft für die nächsten Jahre zusichert, und weiterhin lauthals schreien, die Ingenieure sollen gefälligst ihren Job machen: diesmal mit der Wasserstoffstrategie, die ja übrigens noch wesentlich teurer und technisch wesentlich schwieriger zu realisieren ist und obendrein eben auch erstmal Energie benötigt, um das Wasser (übrigens in Trinkwasserqualität) überhaupt zu spalten. Die Energie zur Wasserspaltung sollte selbstverständlich regenerativ sein, sonst macht es ja überhaupt keinen Sinn. Aber gerade davon sind wir noch Jahzehnte entfernt.
Würden wir nicht im Jahr 2020 leben, dem Jahr ab dem der CO2-Ausstoß radikal sinken muss, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten und dadurch unseren Kinder eine Chance auf ein ziviles Leben auf der Erde weiter zu ermöglichen, wären es Tränen vor Lachen in meinem Gesicht, über diese Realsatire. Aber so muss ich zusehen, wie sich unsere Jugend und unsere Kinder auf der Straße die Lunge aus dem Hals schreien, damit die Politik endlich handelt und hilft, ihre Zukunft zu retten. Die hat vielerseits aber nichts übrig, außer abfällige Kommentare über die „Klimakinder“. Also wieder Askese und Fahrrad fahren, statt technologischer Fortschritt und E-Autos. Zu wahr um schön zu sein.
gez. Wiebke Visser, Agenda for Future Senden