Lennard Kasberg übernahm den Part der CDU bei den Festreden:
Rede anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes am 26.05.2024:
Sehr geehrte Damen und Herren, verehrtes Orga-Team, liebe Kinder und
Jugendliche.
Wir feiern 75-Jahre Grundgesetz. Von Ministerpräsidenten und den 65
Mitgliedern des Parlamentarischen Rats als Provisorium gedacht, bis heute
zum Bestseller geworden. Um den Bruch mit der Sowjetzone nicht zu
zementieren, und dennoch politisch handlungsfähig zu sein, vermied man es
diesem Werk den Namen Verfassung zu geben.
Elementarer Kern dieser Verfassung sind seine Grundrechte, von denen ich
eines nun vorstellen möchte:
In Art. 2 (1) GG heißt es „Jeder hat das Recht auf die freie Enfaltung seiner
Persönlichkeit.“
Was bewegte die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes, solche starken
Leitlinien aufzunehmen?
Die Grundrechte des Grundgesetzes als unmittelbar geltendes Recht sind die
verfassungsrechtliche Antwort auf die Gräueltaten des Nationalsozialismus
und die Einschränkungen in der Endphase der Weimarer Republik.
Eine Außerkraftsetzen dieser Rechte ist heute unmöglich.
Greifen einzelne Grundrechte mit einem konkreten Schutzbereich nicht, so
fängt einen die allg. Handlungsfreiheit wieder auf.
Die Reduzierung auf ein bloßes Sicherheitsnetz wird der allg. Handlungsfreiheit
allerdings nicht gerecht. Direkt nach Art. 1 GG, der Menschenwürde
anordnet, ist es ein unverrückbares Bekenntnis zur Unabhängigkeit eines
jeden Einzelnen vom Staat. Bewusst unscharf formuliert wollte der Allgemeine
Redaktionsausschuss des Parlamentarischen Rats eine möglichst große
Bandbreite abdecken und wandte sich auch vehement gegen allzu große
Einschränkungen, wie Thomas Dehler betonte. Verständlich vor dem
Hintergrund ihrer Biografien:
Thomas Dehler: Mit einer Jüdin verheiratet; Anwalt vieler Jüdinnen und Juden,
infolge der Reichsprogromnacht für mehre Wochen verhaftet.
Georg August Zinn: In Schutzhaft genommen wegen des Vorwurfs, „er gehöre
zu den Freunden Phillip Scheidemanns“, die Mutter als Druckmittel verhaftet,
der Bruder von der Gestapo gequält.
Auch dieses Grundrecht findet seine Einschränkung, konkret in den Rechten
anderer, dem Sittengesetz und der verfassungsmäßigen Ordnung. Letztere
meint die Gesamtheit aller in unserem Staate gültigen Rechtsnormen. Denn klar
ist auch, bei aller Freiheit muss es Regeln des Zusammenlebens geben, die
verbindlich sind. Ein Beispiel: Das Masketragen in Innenräumen;
Gesundheitsschutz vor den individuellen Befindlichkeiten.
Freiheit des Einzelnen bedeutet auch immer Freiheit des Anderen, meines
Gegenübers.
Die Freiheit des Einzelnen kann also nur durch ein Miteinander realisiert
werden. In der heuRgen Zeit jedoch scheint es mir, dass wir allzu sehr auf
unserer persönlichen Freiheit beharren, ohne die Rechte anderer im Blick zu
haben.
Somit wird durch eine fortschreitende Polarisierung in der Gesellschaft unsere
Demokratie gefährdet. Solange es sich auf dem Boden unserer gemeinsamen
Werte bewegt, müssen wir es auch wieder aushalten können, dass
Mitmenschen sich anders verhalten, andere Vorlieben haben, andere
Auffassungen vertreten.
Diese Freiheiten auch grds. denen zukommen zu lassen, die gegen unsere
freiheitlich demokraRsche Grundordnung sind, ist keine Schwäche: Es ist das
Selbstbewusstsein der DemokraEe, die eigentliche Stärke unseres
Grundgesetzes.
Im Ernsfall greifen ihre Institutionen ein, unter Beachtung der Gewaltenteilung,
wie das OVG-Urteil in Münster hinsichtlich der Einstufung der AfD als
rechtsextremistischer Verdachtsfall wieder einmal gezeigt hat. Die Exekutive
untersteht sowohl der parlamentarischen als auch der Kontrolle der Justiz.
Garant dieser Kontrolle ist das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, welches
durch seine Überparteilichkeit und Unabhängigkeit seit seiner Gründung im
europäischen und internationalen Vergleich neue Maßstäbe gesetzt hat. Dabei
scheut es sich auch nicht, die „heißesten Eisen der gesellschadlichen Fragen“
anzufassen, wie seine Urteile zur Sterbehilfe gezeigt haben. Mit der
Verfassungsbeschwerde kann jeder Bürger geltend machen, in seinen Rechten
verletzt zu sein.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Laufe der Jahre die Grundrechte immer
weiter zugunsten der Bürger ausgeweitet. So hat es im Zuge der richterlichen
Rechtsfortbildung aus der Kombination der Menschenwürde und der allg.
Handlungsfreiheit heraus das Allgemeine Persönlichkeitsrecht geschaffen. Dies
garantiert noch einmal in besonderer Weise die engere persönliche
Lebenssphäre. Im Gegensatz zu anderen Staaten dieser Welt dürfen staatliche Behörden in Deutschland deshalb nicht ihre Bürgerinnen und Bürger uneingeschränkt ausspähen oder staatliche Spyware verbreiten.
Die letzten 3min haben gezeigt welch große Bedeutung das Grundgesetz der
Bewahrung der persönlichen Freiheit beimisst.
In seiner denkwürdigen Rede im Reichstag im März 1933 hat Oao Wels gesagt:
„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“
Das Grundgesetz garanRert uns Freiheit, lassen wir uns diese nicht nehmen und
für eine Demokratie mit Demokraten eintreten. Dankeschön.
gez. Lennard Kasberg