Protokoll des Treffens der BI für Demokratie und Vielfalt am 6. November 2024

Sitzung am 6.11.24:

Demokratie retten heißt auch Armut überwinden. Das entwickelte sich zum zentralen Thema des Abends. Anwesend waren Doris, Hans, Matthias, Robert, Roland und Bernd. Doris hatte Kost für den Körper, Hans geistige Kost mitgebracht: Wie bewahrt man Demokratie? Hans erörterte dazu sein vorbereitetes Papier, das er hier noch einbringen wird. (s. Anlage)
Wir sind uns einig, dass politische Entscheidungen hoch komplex sind. Ohne Expertenwissen sind die Entscheidungen von Laien kaum zu bewältigen. Wenn die Lobbyisten sachkundige Experten sind, sind ihre Expertisen im demokratischen Prozess der Meinungsfindung unerlässlich. Der nicht korrupte Politiker muss selbst entscheiden, ob die Expertise dem Gemeinwohl dient oder ob der Lobbyist anderen Interessenten dient. Lobbyismus sollte also kontrolliert werden, es können ja auch Schmiergelder die Entscheidungsfindung beeinflussen.
Als Demokratie-zerstörend beklagt wurde die zunehmende Gewalt im öffentlichen Raum und die unkontrollierte Hassrede mit Falschmeldungen in den sozialen Medien. Auch hier muss die Staatsmacht befrieden, kontrollieren und Falsches richtigstellen.
Allgemein muss es Ziel sein, dass Politiker als Volksvertreter mit dem Volk wieder mehr ins Gespräch kommen. Unterschiedliche Lösungsansätze müssen gehört und wahrgenommen werden und so lange diskutiert werden, bis ein zufriedenstellender Kompromiss zur Entscheidung kommt. Der Staat hat die Aufgabe, die demokratisch legitimierte Entscheidung mit Staatsgewalt durchzusetzen. Persönliche und Partei-bezogene Inhalte und Vorbehalte haben stets hinter dem Gemeinwohl zurückzustehen.
Quintessenz: wir brauchen einen stärkeren Staat, der bestehende Regeln durchsetzt. Wir brauchen größere finanzielle Gerechtigkeit, Arbeit muss sich wieder lohnen, eine soziale Hängematte führt zum Frust derer, die hart arbeiten und kaum besser leben können. Bernd schlug vor, eine erste Gesprächsrunde zu diesem Thema vorzubereiten. Hans will sich erkundigen, ob jemand in der Gemeindeverwaltung bereit ist, als Experte über die bestehenden Verhältnisse bei den Sozialleistungen aufzuklären.
Kurz vorgestellt wurde zum Schluss noch ein Wahlflyer einer rechtsextremen Partei mit deren Forderungen. Hier werden akzeptable und völlig abstruse Ziele aufgeführt. Über diese gefährliche Verquickung und deren Wirkung auf das Wahlvolk sollte meiner Meinung nach genauer von uns analysierend gesprochen werden.
Folgetermin ist Mittwoch, der 27.11. um 19 Uhr in der Friedenskirche oben im Raum 1, um die Probe des Kirchenchores nicht zu stören.
Bernd Lieneweg

Anlage
Dr. Hans Meckling – An der Steveraue 32 – 48308 Senden
Umfrage „Open Petition“
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Infos zur „Demokratie“
Die „Demokratie“ ist im Prinzip eine Fiktion und es gibt keine allgemein gültige Definition der
praktischen Umsetzung, sie ist das „Ideal einer kollektiven Selbstregierung“
Allgemeine abstrakter Rahmendefinitionen:
„Gemeinwesen, das unter Einbeziehung weiter Kreise sich selbst regiert“
Definition „Demokratie“
Lincoln „ Herrschaft des Volkes, durch das Volk, für das Volk“
„Regierungsform, Herrschaftsform einer großen Menschenmenge, deren unterschiedliche
Interessen ausgeglichen bzw. ausgehandelt werden sollen und die durch sich selbst den
gesellschaftlichen Gestaltungsprozess steuert“ –
Gegensatz ist einfacher zu definieren: Tyrannei, Diktatur
Grundprobleme:
Auf welche Weise kann sich die Masse der Menschen äußern, wie frei sind die Menschen, sich zu
äußern, wer ist wie kompetent Lösungen für alle zu finden, wer repräsentiert welche Gruppe, wie
finden Beratungen statt, nach welchen Regeln wird ein Konsens gefunden, wie werden
Minderheiten berücksichtigt, wer ist dafür verantwortlich, dass Regeln eingehalten werden, wie
werden Beschlüsse umgesetzt?
Extrem komplexer, detailreicher Prozess, dementsprechend gleicht keine Demokratie der anderen
Grundsätzliche Ausübungsformen:
„repräsentative“ Demokratie – „direkte“ Demokratie
Geschichte der Demokratie:
Griechische Städtedemokratie Beginn 430 v. Chr., Städte mit mehreren 1000 Einwohnern,
Minderheitsherrschaft, Oligarchie,
Forderungen: „Gleichheit vor dem Gesetz, Rederecht, Herrschaftsrecht“
Ziel: Verwerfung von Willkürmacht, Rechenschaftspflicht der Herrschenden, Losverfahren für
Repräsentanten
Aristotelische Herrschaftslehre – Verhältnis Adel – Volk
Römische Republik Patrizier – Plebejer
England „Magna Charta“ 13.Jahrhundert- Mitbestimmung bei Steuererhebung und „Parliament“
„Bill of rights“ 1689, Beschränkung monarchischer Gewalt durch das Parlament
17. und 18.JH John Locke, Montesquieu, „Federalist Papiers“ 18.JH, Unabhängigkeit USA 1776,
„Declaration of Independence“ 1776, Menschenrechte incl.. religiös begründet
Grundlage aller modernen Demokratien
Franz. Revolution – Schreckensherrschaft – Rückkehr zur Monarchie
„Egalite – Fraternite – Liberte“
Gleichheit worin? – Verbundenheit und Zusammenhalt wie? – Wie weit geht Freiheit?
Begriffsverwirrung, 1835 Alex de Tocqueville „Demokratie in Amerika“
Deutschland 1832/48 Beginn einer Demokratiegeschichte
Nationalversammlung – Verfassung – Parlamentarismus
Weimarer Republik 1918
1949 Grundgesetz und Staatsgründung Bundesrepublik D
Bedingungen und Kennzeichen einer „modernen“ Demokratie:
– Verfassung, Teilhabe, Wahlrecht, Amtszugang
– Gewaltenteilung Legislative – Judikative – Executive
– Gewaltmonopol (Schutzstaat), Friedenssicherung
– Rechtsstaat, Menschen- und Bürgerrechte
– Sozialstaat, soziale Gerechtigkeit
– Kulturstaat, Wissenschafts- und Kulturförderung
– Medienfreiheit (4.Gewalt)
– D: Föderale Struktur
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Demokratieindex (Economist)
vollständige, unvollständige Demokratien, hybride Systeme, autoritäre Systeme
Politische Teilhabe, Bürgerrechte, politische Kultur, Pluralismus
46 % der Weltbevölkerung in einer Demokratie, 8 % in einer vollst. Demokratie, 40% in einer
Diktatur, 24 sind vollständige Demokratien, D Platz 12, Norwegen Platz 1, USA 29, England 18,
Schweiz 8
Kriterien:
– Wahlprozess
– Pluralismus
– Funktionsweise der Regierung
– Politische Teilhabe
– Politische Kultur
– Bürgerrechte
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Was ist „direkte Demokratie“?
Stufen: Information – Beratung – Mitentscheiden
Inhalte: Mitbestimmung an repräsentativen Strukturen (Beispiel Wahlen) – Mitbestimmung in
Sachfragen
Verschiedene Ebenen:
Bund, Land, Kommune:
auf Bundesebene keine Instrumente des Mitentscheidens, wohl aber in Land und Kommune
„Bürgerforum“ (3x bisher, Beispiel „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ 2011
Staat wählt aus, Entscheidungshilfe
„Bürgerwerkstatt“
Interesse der Beteiligten, Beteiligung an Ideen
„Bürgerdialog“ – „Nachbarschaftsgespräche“ (2015 4 Bürgerdialoge mit je 60 Bürgern, Merkel)
Staat wählt aus, Austausch
„Aktivierende Befragung“
Kommunale Probleme sollen gelöst werden
„Bürgerpanel“
Staats. Auswahl repräsentativer Bürger zur Meinungserfassung über Jahre
Bedenken gegen Bürgerentscheide auf Bundesebene:
– Verzerrung durch Interessengruppen
– überproportionale Beteiligung
– Vereinfachung des Themas
– Ausgewogenheit der Informationsaufbereitung
– Losverfahren und Grundgesetz?
– Entmachtung der Institutionen
– Auswahlverfahren
– Staat als Initiator
Begriff „Bürgerräte“ (Ernährungspolitik 2024)
NRW
„Volksinitiative“ (0,5%)
Verpflichtung zur Befassung des Landtags
„Volksbegehren – Volksentscheid“ (3000)
ausgearbeiteter Gesetzentwurf
„Bügerbegehren – Bürgerentscheid“ (1800 f. Senden)
3 Personen, Verwaltung entscheidet, 25 Bürger, Ratsentscheid
„Einwohnerantrag“
ab 14.LJ, Antrag zur Beschäftigung mit der Frage, 5% der EW
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Demokratie-Kritik + Gefährdungen
– Repräsentationsmangel
– Parteienstaat
– Lobbyismus
– Kurzfristigkeit der Legislaturperioden
– Diktatur der Mehrheit. Mediokratie, Minderheitenschutz
– Wählerdesinteresse
– Mangelnde politische Bildung, Bürgermündigkeit
– Abgehobenheit politischer Diskurse
– Elitokratie (Die „sozialstaatlichen Bürgerdemokratie“ sei von einer
„marktkonformen Fassadendemokratie“ abgelöst worden, in der die eigentliche Macht bei
einem Milieu nach unten abgeschotteter globaler Eliten liege, das sich nahezu ausschließlich
aus sich selbst reproduziere.) (Quote Akademiker über 80%)
– Schere zwischen Arm und Reich
– Migrantische Parallelgesellschaften
– Politikbeschleunigung und neue Medien
Globalisierung und Demokratie
Finanzmarktglobalisierung, Wachstum von Konzernen zu globaler Macht, Antwort ist
Nationalstaatlichkeit, Abgrenzung, Fremdenfeindlichkeit
Populismus
„Was ihn ausmacht, ist, dass er antipluralistisch orientiert ist, dass er grundsätzlich suggeriert,
dass er so etwas wie den wahren Volkswillen ausdrückt, also gerade nicht davon ausgeht, es gibt
eine Pluralität von Interessen und Werten in der Gesellschaft, sondern es gibt den einen großen
Antagonismus, wir als das Volk und dort die Eliten.“
„Populismus wird getragen von den sogenannten „Modernisierungsverlierern“,
er verlangt eine rigide nationale Regulierung. Letztlich könnte man sagen, eine nationale
Schließung, also Nationalstaat, Nationalökonomie, Nationalkultur, das sind ja die Leitbegriffe des
Populismus“
Neue Medien und Demokratie
Gefahren: Fake news, Vertrauensbeschädigung, Verlust der Meinungsdiversität (Gutenbergpresse)
Verführbarkeit, Blasenbildung, Spaltung der Gesellschaft, Demagogie, falsche Versprechen bei
Orientierungslosigkeit
Kapitalismus und Demokratie
„Ich sehe in der staatlichen Finanzkrise der Gegenwart die zeitgemäße Ausformung eines schon zu
Beginn des 20. Jahrhunderts diagnostizierten Funktionsproblems des modernen Staates, das
darin besteht, dass dessen Fähigkeit, einer Gesellschaft von Privateigentümern die Mittel
abzuringen, die er zur Erfüllung seiner – wachsenden – Aufgaben benötigt, tendenziell hinter dem
Notwendigen zurückbleibt.“
„Mit einem demokratischen Staat dagegen ist der Neoliberalismus unvereinbar, sofern unter
Demokratie ein Regime verstanden wird, das im Namen seiner Bürger mit öffentlicher Gewalt in
die sich aus dem Marktgeschehen ergebende Verteilung wirtschaftlicher Güter eingreift.“
„Der Kapitalismus lebt von ungleichen Eigentumsverhältnissen, die Demokratie
von gleichen Staatsbürgerrechten und dem Ziel, das Allgemeinwohl zu
verwirklichen. Der Kapitalismus ist also per se nicht demokratisch und die
Demokratie per se nicht kapitalistisch …“
„Den Kapitalismus wird man nicht abschaffen können, weil zu einer Demokratie das Recht auf
Eigentum gehört. Es ist eines der großen Freiheitsrechte, das nur schwer unterdrückt oder
abgeschafft werden kann. Man kann Menschen nicht ohne Repression untersagen, initiativ und
innovativ zu werden und Vermögen über wirtschaftliche Anstrengungen zu sammeln. Man kann
zwar verstaatlichen und über Steuern die Gewinne sozialisieren. Doch alles andere bedürfte einer
starken politischen Unterdrückung – was in einem demokratischen Rahmen nicht zu
rechtfertigen ist.“
„Die ökonomische Ungleichheit setzt sich in politische Ungleichheit um. Das betrifft vor allem das
untere Drittel der Gesellschaft, die unteren Bildungsschichten, die kaum mehr durch
Gewerkschaften oder Parteien repräsentiert werden. Bildung ist der wichtigste Faktor für
politische Partizipation. Die Abgehängten engagieren sich selten in der Politik, nicht in Parteien
oder der politischen Zivilgesellschaft. Sie nutzen noch nicht einmal die einfachste
Partizipationsform, indem sie wählen gehen. In dieser Bevölkerungsschicht regt sich aber auch
kaum Protest, es herrscht Apathie. Diese Menschen sind draußen und damit leben wir anderen
relativ komfortabel, weil die Demokratie ja für zwei Drittel der Bevölkerung funktioniert.“
„Trotz notwendiger staatlicher Unterstützung bei der Transformation wird der Kapitalismus
weiter Ungleichheit produzieren. Die Demokratien werden darauf reagieren müssen, um die
größten Ungerechtigkeiten abzupuffern. Wenn der Staat hier versagt, wird auch die politische
Ebene ins Rutschen geraten. Es geht um die Legitimität demokratischer Politik. Also nicht nur um
Verfahrensfragen und freie Wahlen, sondern um den Output. Wichtig ist, was hinten heraus
kommt, hat schon Helmut Kohl in unnachahmlicher Volkstümlichkeit gesagt. Diese 20er Jahre
sind eine Art Schicksalsjahrzehnt für den Kapitalismus – aber auch und gerade für die
Demokratie.“
„Nein, das ist eine Zwangsverheiratung. Der Kapitalismus folgt zwar einem anderen Prinzip,
aber die Demokratie ist auf den Kapitalismus angewiesen, auf seine Effizienz und
Innovationskraft, sonst wird sie an Legitimität bei ihren eigenen Bürgerinnen und Bürgern
verlieren. Der Kapitalismus braucht die Demokratie nicht, aber die Demokratie braucht den
Kapitalismus.“
Liberalismus und Demokratie
Forderungen: Wohnen, Verkehr, Markt, Finanzen, Bildung, Gesundheit, öffentl. Infrastrukturen zu
privatisieren, individuelle Freiheitsrechte
(Die Rufe nach stärkerer Regulierung durch die Bürger bei gleichzeitiger Forderung größtmöglicher
individueller Freiheit sind ein Paradox)

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