Die Agenda-Gruppe, die sich die Themen Umwelt- und Klimaschutz sowie nachhaltiges Wirtschaften auf die Fahnen geschrieben hat, hatte die Sendener Landwirte zum Gespräch eingeladen, die sich auf das Thema „Auf dem Weg in eine nachhaltige Landwirtschaft“ einlassen wollten. Überraschend viele kamen, so dass es im Besprechungsraum der Gemeinde eng wurde. Noch einmal wurde der Unmut über den Agenda-Artikel zum Baumsterben zum Ausdruck gebracht, in dem die Überdüngung mit Stickstoff durch Massentierhaltung in Zusammenhang mit dem neuartigen Waldsterben gebracht wurde. Der Zusammenhang werde zwar nicht bestritten, aber es gebe neben den Emissionen aus der Landwirtschaft eben auch andere Quellen für stickstoffhaltige Luftverunreinigungen wie den Autoverkehr und die Industrie, die dann ebenfalls benannt werden müssten. Die Sendener Landwirte betonten, dass ihnen die Einhaltung der Grenzwerte wichtig sei und dass deswegen Maßnahmen ergriffen würden, den Stickstoffeintrag in die Luft zu minimieren. Die Agenda-Gruppe machte deutlich, dass die Bauern selbstverständlich unverzichtbar seien für die Ernährung der Menschen und dass sie dafür auch angemessen bezahlt werden müssten. Das Gespräch mit den Landwirten müsse daher unbedingt weitergeführt werden.
In seinem Eingangsreferat machte Ralf Große-Scharmann klar, dass als Weg zur weiteren erfolgreichen Ernährung der Weltbevölkerung eine nachhaltige Intensivierung angestrebt werde, was eine Steigerung der Landnutzungseffizienz bei gleichzeitigem Erhalt der Bodengesundheit bedeute. Höhere Erträge erreiche man hauptsächlich durch Züchtung, Düngung und Pflanzenschutz. Global liege der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgas-Emissionen (gemessen in CO2-Äquivalenten) bei 25%, hervorgerufen z.B. durch Landumnutzung, Tierhaltung und Düngerherstellung. Zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bei der Düngerherstellung biete sich der Einsatz von Katalysatoren an; bei Vorhandensein von ausreichend regenerativen Energien ließe sich Stickstoff-Dünger auch mittels „grünem“ Wasserstoff statt aus fossilen Quellen herstellen.
Im zweiten Vortrag bezeichnete Landwirt Franz-Josef Lintel-Höping, der wegen seiner schonenden Bodenbearbeitung, die das Bodenleben nicht stört, auch anerkennend Regenwurm-Bauer genannt wird, seine Vorgehensweise ausdrücklich als nachhaltig: er pflüge nicht, mulche den Boden und bringe Zwischensaaten aus, um auch im Winter keine Schwarzbrache, sondern eine grüne Pflanzendecke zu haben. Ferner probiere er neuere Züchtungen aus und erreiche längere Fruchtfolgen, was dem Boden gut tue. So brauche er insgesamt deutlich weniger Glyphosat, um die störenden Beikräuter los zu werden. Außerdem spare er so enorme Mengen an Diesel ein, was Geld spare und den CO2-Ausstoß verringere.
Auch Ralf Große Scharmann verfasste einen Bericht zur Sitzung der Agenda-Gruppe: Das Thema „Auf dem Weg in eine nachhaltige Landwirtschaft“, zu dem die Agenda 21 Gruppe geladen hatte stieß auf großes Interesse, nicht nur bei Mitgliedern der Agenda oder Landwirten, sondern auch bei interessierten Bürgern. Der „Treffpunkt“ war prall gefüllt.
Der Abend wurde mit einem Impulsvortrag von Ralf Große-Scharmann begonnen. Angefangen mit der Benennung der CO2 Emissionsquellen, welche bei der Produktion von Lebensmitteln durch die Landwirtschaft entstehen, über die Erklärung der sog. „Nachhaltigen Intensivierung“ bis hin zu technisch komplexen Verbesserungen bei der Düngemittelherstellung, sollte der Vortrag möglichst viele Diskussionspunkte liefern.
Die Überleitung, hin zu den Lösungen auf den Betrieben vor Ort ermöglichte der zweite Referent. Über seine praktische Arbeit auf dem Hof und seinen positiven Erfahrungen mit der konservierenden Bodenbearbeitung berichtete Franz-Josef Lintel-Höping. Der Verzicht auf den Pflug und das flache Einarbeiten von Erntereste verbessere das Leben von Kleinstlebewesen im Boden auch die Fähigkeit hohe Niederschläge aufzunehmen, zu speichern und später der Pflanze zur Verfügung zu stellen. Andere Bewirtschaftungssysteme sind deshalb nicht gleich schlecht, sie haben genauso Vor- und Nachteile wie die konservierende Bodenbearbeitung.
Kurzzeitig wiederaufflammende „Grabenkämpfe“ zwischen Landwirten und Agenda-Mitgliedern, wurden von den am Thema interessierten Gästen nicht geduldet und im Keim erstickt.
In einer anschließenden offenen Diskussion wurden Standpunkte, Vor und Nachteile einzelner Maßnahmen in der Landwirtschaft diskutiert.
Verbesserungen bei der CO2 Bilanz in der Landwirtschaft sind nur ein Teil auf dem Weg in eine nachhaltigere Landwirtschaft. Biodiversität und der Gewässerschutz sind weitere wichtige Elemente.
Es werden in den letzten Jahren durch Landwirte in Senden Versuche unternommen, längere Fruchtfolgen zu integrieren. Dazu hat sich der Anbau von Zwischenfrüchten über Herbst und Winter stark ausgeweitet, welche nun das herbstliche Landschaftsbild der letzten Jahre prägen. Alle Maßnahmen sind Teil einer nachhaltigen Lösung die von Sendener Landwirten unternommen werden.
Positiv hervorgehoben wurde auch das Engagement der Sendener Landwirte beim Gewässerschutz. Kilometerlange Uferrandstreifen sind nicht nur als Pufferzone gedacht um ungewünschte Eintragungen durch Düngung oder Pflanzenschutz in Gewässer zu vermeiden. Diese Streifen sind auch Rückzugsort für Insekten und andere größere Tiere.
Zunehmende Attacken von Krähen auf Junghasen und junge Fasan wurden, sowohl von Landwirten als auch den anwesenden Gästen, in der Natur öfter beobachtet. Diese Beobachtungen verdeutlichen, dass das Artensterben viel komplexer ist, als einfach nur die Agrarwirtschaft zur Verantwortung zu ziehen.
Alle beteiligten waren sich einig, dass es eine Art Generationenvertrag braucht, der umweltfreundliche Mehrleistungen der Landwirte finanziell belohnt. Ansonsten besteht die Angst bei den Landwirten, dass ein Großteil der Verbraucher am Ende doch zu dem günstigeren Importprodukt mit geringen Umweltauflagen zurückgreift.