Grenzen der Grenzverletzungen
SENDEN. Geht es um Wirkung um jeden Preis? Wo liegen Grenzen? Was kann ein Weg sein, um den Klimaschutz zu stärken, ohne demokratische Errungenschaften zu schwächen? Diese Fragen standen bei einer Diskussionsveranstaltung im Mittelpunkt, zu der die Agenda21-Gruppe eingeladen hatte.
Vertreter der „Letzten Generation“ im Alten Zollhaus
Die Grenzen der Grenzverletzungen
Von Dietrich Harhues
senden.Zuerst fand sie es auch „grenzwertig“ und „verstörend“, als sich Aktivisten der „Letzen Generation“ auf den Asphalt klebten oder Kunstwerke mit abwaschbarer Farbe attackierten. Seit vorigem Jahr gehört Sybille Arians selbst dieser Gruppe an, die sich auch im Kreis Coesfeld formiert und ihre Strategie inzwischen verändert hat. Weshalb sich die pensionierte Erdkundelehrerin angeschlossen hat: Sie wollte sich nach jahrzehntelangem Einsatz für Ökologie und globale Gerechtigkeit nicht mehr mit der „Wirkungslosigkeit“ ihres Engagements abfinden.
Geht es jetzt um Wirkung um jeden Preis, wo liegen Grenzen, was kann ein Weg sein, um den Klimaschutz zu stärken, ohne demokratische Errungenschaften zu schwächen? Diese Fragen standen am Mittwochabend bei einer Diskussionsveranstaltung im Mittelpunkt, zu der die Agenda21-Gruppe ins Alte Zollhaus eingeladen hatte.
Die Debatte wurde lange (über zweieinhalb Stunden) und weitgehend zwischen Angehörigen oder Sympathisanten der „Letzten Generation“ und dem Vertreter des Philosophischen Seminars der Uni Münster, Prof. Dr. Michael Quante, geführt, der im Rektorat auch als Prorektor für Internationales, Transfer und Nachhaltigkeit fungiert. Die Position der neutralen oder kritischen Bürgerschaft war im Saal, dessen Plätze weitgehend besetzt waren, kaum vertreten.
Über die Ausgangslage herrschte Konsens: Angesichts von Kipppunkten beim Klimawandel müssen weltweit die Anstrengungen erhöht werden. Arians betonte, dass die dreiminütigen Verkehrsblockaden im Kreis Coesfeld in Absprache mit der Polizei organisiert worden seien. Dass weiterhin Störungen nötig seien, daran ließ die 73-Jährige keinen Zweifel. Es sei gerechtfertigt, in die Freiheit von Menschen (zum Beispiel schnelles Autofahren) einzugreifen, um dazu beizutragen, dass eine viel größere Freiheitsbegrenzung (die Möglichkeit, auf dem Planeten Erden überhaupt noch zu leben) verhindert werde. Aufsehen erregende Aktionen seien weiterhin Ziel der „Letzten Generation“, die zugleich stärker versuchen wolle, die breite Bevölkerung zu mobilisieren, kündigten Vertreterinnen und Vertreter der Gruppe an, die die Veranstaltung auch zur Mitgliedergewinnung nutzten.
Michael Quante äußerte Verständnis für die Ziele und punktuelle Grenzverletzungen, pochte aber darauf, dass ein rationaler Diskurs und die demokratischen Abläufe gewahrt bleiben. Er warnte davor, einem autoritären System Vorschub zu leisten – auch wenn das Umsetzungstempo in einer Demokratie angesichts von Brisanz und Tempo der Erderwärmung als zu langsam erscheine. Es mache keinen Sinn, auf „die Politik“ oder „die da oben“ zu schimpfen: „Die Politik, das sind wir“, so Quante.
Die Vorträge von Sybille Arians und Prof. Dr. Michael Quante sind aufgezeichnet worden und können auf dem You-Tube-Kanal der Friedensinitiative Nottuln verfolgt werden.