Wolf von Fabeck, SFV: Immer wieder treffen wir auf das Phänomen, dass wir uns von verschiedenen politischen, klimatischen, technischen und sozialen Entwicklungen beunruhigen lassen, dass wir aber die Zusammenhänge nicht erkennen und deswegen nur an den Symptomen herumkorrigieren, anstatt die zu Grunde liegenden Fehlsteuerungen in Ordnung zu bringen.
So geht es uns zum Beispiel auch bei der beunruhigenden Zunahme nationalistischer Parolen und Aggressionen gegen die zunehmende Zahl von Flüchtlingen. Kaum jemand bringt diese Aggressionen in einen Zusammenhang mit dem herrschenden Ungleichgewicht zwischen Energiesteuer und Besteuerung von menschlicher Arbeitskraft. Und zugegebenermaßen ist dieser Zusammenhang auch nicht eindeutig, doch es könnte sich lohnen, dieses Ungleichgewicht so schnell wie möglich abzubauen. Wenn dies zu einer Entspannung der Situation beitragen kann, so sind wir moralisch verpflichtet, solchen Hinweisen nachzugehen und sie öffentlich weiterzugeben:
Warum fehlen in den sozialen Einrichtungen Arbeitskräfte? Warum haben Krankenschwestern kaum noch Zeit für aufmunternde Gespräche mit bettlägrigen Patienten. Warum müssen sich Lehrer mit viel zu großen Klassen abmühen? Warum finden sich keine Allround-Handwerker mehr, die im Haushalt notwendige Reparaturen durchführen? Warum gibt es nicht genügend Handwerksbetriebe, Möbelschreinereien, Schuhreparaturbetriebe, Änderungsschneidereien, Fernsehreparaturbetriebe. Warum werden technische Geräte mit nur kleinen Fehlern „entsorgt“ anstatt repariert? Warum werden Hecken nur alle 3 Jahre, dann aber unsinnig radikal zurückgeschnitten. Warum werden Wärmedämmmaßnahmen im Gebäudebestand so zögerlich durchgeführt?
Wir schieben einen ganzen Stau dringlich zu erledigender Arbeit vor uns her, und die Ursache ist immer die gleiche: Die Personalkosten sind zu hoch. Auf der anderen Seite leben in den Flüchtlingsunterkünften Menschen, die teilweise genau die Tätigkeiten gelernt haben, die wir hier schon lange brauchen. Viele von ihnen sind hochmotiviert, lernen unsere Sprache und möchten sich nützlich machen. Mancher Handwerksmeister, mancher Personalchef würde solche Menschen gerne einstellen, wenn – wie gesagt – nur die Personalkosten nicht so hoch wären.
Erinnern Sie sich: Ähnliche Probleme hatten wir schon einmal vor über 10 Jahren – Stichwort „strukturelle Arbeitslosigkeit“. Durch die Schrödersche Hartz IV Reform wurde das Problem damals nicht grundlegend gelöst, sondern nur statistisch versteckt. Es entstand das Millionenheer der Hartz IV Empfänger, die heute voller Sorge und Unverständnis auf den anschwellenden Flüchtlingsstrom blicken: Jeder dieser Flüchtlinge könnte ein weiterer Mitbewerber auf dem Arbeitsmarkt werden. Alle Appelle an Menschlichkeit und Mitleid werden verhallen, wenn es nicht gelingt, diese Sorge grundlegend zu dämpfen.
Der SFV hatte damals auf Anregung von Jürgen Grahl ein Programm gegen die strukturelle Arbeitslosigkeit entwickelt, das mit geringen Korrekturen auch heute noch sinnvoll umgesetzt werden könnte.
http://www.sfv.de/artikel/energiesteuer_und_bedingungsloses_energiegeld.htm
Hier seien nur die wesentlichen Gedanken angedeutet: Die Energiekosten der energieintensiven Unternehmen sind im Vergleich zu den Lohnkosten der arbeitsintensiven Unternehmen so gering, dass die energieintensiven Unternehmen erheblich höhere Gewinne erzielen. Kapitalgeber ziehen deshalb ihr Kapital von den arbeitsintensiven Unternehmen ab und investieren lieber in energieintensive Unternehmen. So kommt es nicht nur zur Stellenknappheit und hohen Kosten in den eingangs erwähnten Unternehmen, sondern es tritt ein unverantwortlicher Raubbau an den Bodenschätzen unserer Erde ein (ein weiterer oft vernachlässigter Zusammenhang). Hierzu mögen wenige Beispiele genügen: Die Grundstoffindustrie z.B. Aluminiumhütten oder Düngemittelhersteller plündern mit Hilfe billiger Energie die Bodenschätze in unverantwortlichem Tempo und erzeugen daraus billige Grundstoffe. Oder der Fernverkehr frisst Erdölreserven, um skandinavische Crevetten nach Marokko zu fliegen, damit sie dort geschält werden, weil dort die Handarbeit bedeutend billiger ist (danach werden die Schalentiere wieder gekühlt, zurückverfrachtet und verkauft). Oder für tausend andere vermeidbare Aufgaben wird billige klimaschädliche Energie verschwendet.
Dies alles könnte weitgehend verbessert werden, wenn Energie stärker besteuert würde und die Energiesteuereinnahmen an alle Einwohner unabhängig von deren Energieverbrauch gleichmäßig als „Energiegeld“ nach Kopfzahl zurückgegeben würden. Berechnungen zeigen, dass eine Energiesteuer von knapp 12 Cent/kWh zu einem bedingungslosen monatlichen Energiegeld von ungefähr 100 Euro für jeden Einwohner ausreicht. Und bei arbeitsintensiven Unternehmen könnte eine aus der Energiesteuer finanzierte und steuerfreie staatliche Zulage von 21 Prozent zum Lohn die Konkurrenzfähigkeit herstellen. Es können mehr Mitarbeiter eingestellt werden – auch Flüchtlinge! Diese Möglichkeit sollte Deutschland rasch nutzen, ehe sich hier die nationalistischen Tendenzen weiter ausbreiten. Wir sollten das Beste aus den gegebenen Möglichkeiten machen. Und wir sollten in der Öffentlichkeit darüber sprechen.
Auf Ihre Kommentare, liebe LeserInnen freuen wir uns. <fabeck@sfv.de>