Agenda21Senden informiert am 19. Mai in Senden von 10 bis 12 vor dem Wochenmarkt zu den sog. „Freihandelsabkommen“.
Die 16 vertraulichen und von Greenpeace veröffentlichten Dokumente erlauben auf insgesamt 240 Seiten einen tiefen Einblick in den Stand der Verhandlungen zum geplanten EU-USA-Handelsabkommen TTIP.
Durch diese Veröffentlichung wird es endlich möglich, die Geheimniskrämerei um dieses Abkommen zu beenden. Die Dokumente beweisen, dass die Befürchtungen der Zivilgesellschaft absolut berechtigt sind. Mehr noch: Die geleakten Dokumente übertreffen auch noch die schlimmsten Befürchtungen.
Seit Jahren wird den Kritikern von TTIP vorgeworfen sie betrieben Panikmache. Die Dokumente zeigen jedoch genau das Gegenteil: Die Befürworter haben die tatsächlichen Gefahren des Abkommens jahrelang verharmlost. Alle, die immer wieder versucht haben, zu besänftigen, sehen es nun schwarz auf weiß, sie lagen falsch! Diese Dokumente entlarven die Freihandelslüge!
Bei TTIP geht es allein um die Interessen von Konzernen. Sie bestimmen die Verhandlungen, während die Öffentlichkeit mit irrelevanten Informationen bewusst getäuscht worden ist. Die Warnung der Kritiker, dass die Bevölkerung von TTIP-Lobbyisten still und heimlich hätte überrollt werden sollen bestätigen sich nun auf erschreckende Weise.
Geheimniskrämerei und Intransparenz
Die Menschen kritisieren zu Recht die Intransparenz. Die Verhandlungen laufen derzeit geheim zwischen EU-Kommission und US-Regierung, nach Abschluss der Verhandlungen wird in Europa das Europäische Parlament über die Annahme oder Ablehnung des ausverhandelten TTIP-Textes abstimmen.
Wer etwas im Geheimen verhandelt, hat offenbar etwas zu verbergen. Auch diese Befürchtung der Kritiker hat sich nun leider durch die veröffentlichten TTIP-Verhandlungsdokumente bestätigt.
Der ernorme Druck der USA auf die EU
Die USA verhandeln mit der EU nicht auf gleicher Augenhöhe. Die amerikanische Verhandlungsposition offenbart die Absicht, demokratische Abläufe und die lang erkämpften europäischen Rechte für Verbraucher- und Umweltschutz auszuhebeln.
Die USA versuchen zudem mit allen Mitteln, den Verbraucherschutz auszuhebeln und die heimische Wirtschaft zu schwächen. Das die EU-Komission in der Vergangenheit dieses immer versucht hat zu verharmlosen lässt den Schluss zu, dass sie ernsthaft dazu bereit sind, die Interessen der Bürger, nämlich die zur Zeit geltenden hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards in den Bereichen Lebensmittel, Soziales oder der Datensicherheit, auf dem Altar der Ökonomie zugunsten von meist amerikanischen Konzernmultis zu opfern.
Die nun veröffentlichten Dokumente zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP macht ganz klar die Stoßrichtung der USA – koste es was es wolle, die Interessen der amerikanischen Agrarindustrie und der Gentechnologielobby durchzusetzen und europäische Bedenken und Einwände einfach ‚wirtschaftspolitisch niederzuknüppeln‘, deutlich.
Der fragwürdige Nutzen
Das Abkommen zwischen der EU und den USA würde über 40% des Welthandels betreffen und Einfluss auf das Leben von mehr als 1 Milliarde Menschen haben.
Einige Studien zeigen trotzdem nur ein minimales Wachstum und auch diese Studien wurden von anderer Seite gleich mehrfach widerlegt.
Der Schaden ist jedoch immens. Bei TTIP gibt es nur einen Gewinner: Die USA und ihre multinationalen Konzerne! Die Verlierer sind die Europäerinnen und Europäer. Und zwar jetzige und kommende Generationen! TTIP ist eine Gefahr für uns, unsere Kinder, unsere Enkelkinder!
Die weitreichenden Folgen
Die massiven Bedenken gegen die Verträge aus sozialen, ökologischen und demokratiepolitischen Gründen sind zu verstehen und müssen ernst genommen werden. Alleine schon der Angriff auf das in der EU geltende Vorsorgeprinzips birgt massive Bedrohungen für Verbraucher-, Umwelt- und Lebensmittelsicherheit.
Das Inkrafttreten von TTIP wäre der Todesstoß für die hohen europäischen Standards bei Lebensmitteln, im Konsumentenschutz, bei Öffentlichen Dienstleistungen und bei Sozialleistungen! Durch TTIP hinge die EU am Gängelband amerikanischer Großkonzerne!
TTIP gefährdet heimische Firmen und würde das Aus für geschützte Herkunftsbezeichnungen wie z.B. Westfälischer Knochenschinken oder Westfälischer Pumpernickel bedeuten! Dafür würde es minderwertigem Gen-Soja und Hormon-Fleisch den Weg in unsere Supermärkte, Restaurants und damit auf unser aller Teller ebnen.
Wirtschaftliche Folgen
TTIP bringt – ebenso wie das EU-Kanada-Abkommen CETA – nur Vorteile für Konzerne wie Monsanto & Co. Es ist vorauszusehen, dass die klein- und mittelständige heimische Wirtschaft sowie die Bürger dabei völlig unter die Räder kommen.
Unabhängige Studien zeigen dies schon lange: Die Tufts Universität in Massachusetts in den USA errechnete z.B., daß TTIP in der EU 600.000 Arbeitsplätze bis zum Jahr 2025 vernichten und zu Einkommensverlusten von 165 bis zu 5.000 Euro pro Person und Jahr führen werde! Auch Steuereinnahmen und Wirtschaftsleistungen würden erheblich schrumpfen.
Angriff auf unsere Standards
Der Leak zeigt, dass es keine Verhandlungsfortschritte bei Umwelt- und Verbraucherstandards gibt
In allen wesentlichen Punkten gibt es keine Einigkeit. In allen Bereichen sind mit der aktuellen Veröffentlichung Nachteile für die Bürgerinnen und Bürger festzustellen.
TTIP wird die – ohnehin schon niedrigen – Lebensmittel-, Umwelt-, Konsumenten- und Tierschutzstandards der EU noch weiter senken und Massen an US-Gentechnik- und Klonfleisch-Produkten auch nach Deutschland bringen. TTIP gefährdet somit in erheblichem Maße Verbraucher-, Umwelt-, Sozialstandarts und die Lebensmittelsicherheit.
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström führt uns an der Nase herum, wenn sie behauptet, das Schutzniveau für Verbraucher, Lebensmittel oder die Umwelt in Europa werde nicht sinken.
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TTIP gefährdet Verbraucherstandards
Die USA fordern für die weitere Öffnung ihres Marktes für die Automobilindustrie, Abstriche bei europäischen Standards im Lebensmittel- und Umweltbereich. Produkte sollen nur dann verboten werden dürfen, wenn wissenschaftliche Belege für die Gefährdung vorliegen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel könnten ihren Weg in europäische Supermärkte finden.
Es zeigt sich wieder einmal, dass die EU-Freihandelspolitik nicht richtig aufgestellt ist. Die KonsumentInnen gehören in den Mittelpunkt und nicht die Konzerne, wie es derzeit der Fall ist. -
TTIP gefährdet Arbeitsstandards
Die USA haben bisher lediglich zwei der insgesamt acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Die verbindliche Verankerung der Ratifizierung, Umsetzung und effektive Anwendung aller acht ILO-Kernarbeitsnormen muss gewährleistet werden. Verstöße gegen Arbeitsstandards müssen einklagbar und sanktionierbar sein.
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TTIP gefährdet Umweltstandarts
Bei den Verhandlungen soll hinter verschlossenen Türen ein mächtiger Rammbock gezimmert werden, der auch den fest verankerten Schutz für Umwelt und Verbraucher wieder aus dem Weg räumen kann.
Selbst rückwirkend könnte das umstrittene Handelsabkommen TTIP bestehende Standards und Regularien zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern kippen. Die TTIP-Texte belegen, dass die US-Seite Mechanismen vorschlägt, um etwa auch die Kennzeichnung von Lebensmitteln oder Regeln zu Erneuerbaren Energien als Handelshemmnis einzustufen.
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TTIP gefährdet Schutz vor gefährlichen Chemikalien
Auch die strenge europäische Chemikalienverordnung könnte ausgehebelt werden. Laut ‚Süddeutscher Zeitung‘ sind in europäischen Kosmetika derzeit 1.328 Chemikalien aufgrund einer möglichen Gesundheitsgefährdung verboten, in den USA aber nur elf Substanzen. Die USA sehen in diesem, europäischen Verfahren zur Zulassung von Chemikalien (REACH) ein Handelshemmnis. Würde die US-Position in der jetzigen Form angenommen, könnten Maßnahmen zur Umsetzung von REACH auch rückwirkend durch TTIP ausgehebelt werden. Umweltschützer hatten jahrelang für REACH gekämpft. Das Verfahren ist 2007 in Kraft getreten und hat die Zulassung von mehreren Tausend gefährlichen Chemikalien verhindert.
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TTIP gefährdet Sozialstandards
Unter dem Deckmantel der Freiheit wird uns ein Paket verkauft, das nur weiter in die Abhängigkeit von Konzernen und staatlicher Fürsorge zwingt.
Der Arbeitnehmerschutz könnte durch die Hintertür ausgehebelt werden. ArbeitnehmerInnenrechte sind zu respektieren. In der EU gibt es Kollektivverträge, Versammlungsfreiheit und weitere Standards, die es in den USA nicht gibt. Es ist wichtig, die Arbeitnehmerrechte auch in Zukunft zu respektieren. Was ganze Generationen aufgebaut haben gilt es nun mehr denn je zu schützen.
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TTIP gefährdet Lebensmittelsicherheit
Das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen erklärt einem Qualitätswettbewerb im Lebensmittelsektor den Kampf, indem die Hürden für amerikanische Produkte nun endgültig genommen werden sollen. Die Standards für US-Lebensmittel entsprechen nicht annähernd dem hohen Niveau deutscher und europäischer Güter. Was in Deutschland oder Europa als schwer gesundheitsschädlich eingestuft werden würde, gilt in Amerika noch als genießbar.
Die US-Agrarlobby übt bei den Geheimverhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP massiven Druck aus, um in Zukunft auch gentechnisch veränderte Produkte am europäischen Markt verkaufen zu können. Die hohen Lebensmittelstandards werden durch die Einfuhr dieser genmanipulierten Lebensmittel erheblich sinken und in unseren Supermarktregalen drängen.
Wie sensibel das Thema ist, zeigt sich auch an der Reaktion zum nationalen Selbstbestimmungrecht für den Gentechnik-Anbau in der EU. Seit letztem Jahr können damit EU-Staaten Gentech-Pflanzen auch verbieten, selbst wenn sie auf EU-Ebene zugelassen sind. Die EU-Kommission wollte damit auch ein Zeichen Richtung USA setzen und damit die Zulassung auf EU-Ebene erleichtern.
Der US-Chefverhandler hat damals unmissverständlich klar gemacht, dass er diese zusätzliche Autonomie der EU-Staaten klar als Handelshemmnis sieht und dies eine Verletzung der Vereinbarungen rund um TTIP darstelle.Hormonfleisch sowie Produkte mit bei uns verbotenen Lebensmittelzusätzen sollen mit Hilfe von TTIP auf unseren Tellern landen. Wachstums-Hormone und Antibiotika sind in Amerika erlaubt, um eine noch höhere Milchproduktion oder noch schnelleres Wachstum bei den bereits jetzt extrem ausgebeuteten „Nutztieren“ zu erzwingen. Das berühmt gewordene „Chlorhuhn“ kaschiert durch Abtötung von Keimen nach der Schlachtung lediglich noch engere, brutalere und unhygienischere Haltungsbedingungen während der Mastzeit.
Die Lobbys der Fleisch-Industrie wollen das alles `dank` TTIP & CETA auch für den EU-Markt erreichen. Ähnliches gilt für Klonfleisch: Dieses ist in den USA schon jetzt ohne Kennzeichnung in den Regalen, die EU-Kommission möchte dasselbe zumindest für die Nachkommen von Klontieren durchsetzen.
Neben Gesundheitsrisiken – wie etwa durch gefährliche Pestizidrückstände -, würde dieser Anschlag auf unsere Lebensmittelstandards auch einen massiven Preisdruck auf unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft auslösen, der in letzter Konsequenz auch das Angebot an regionalen Biolebensmittel massiv gefährden würde.
Die Bevölkerung erwartet zu Recht, dass wir uns voll für eine regionale, ökologische und gesunde Landwirtschaft einsetzen Die Auswirkungen auf die Gesundheit europäischer Bürger würden durch TTIP in den kommenden Jahren ganz erheblich sein. Eine steigende Anzahl an Herz-/Kreislauferkrankungen, Diabetes und krankhafte Fettleibigkeit werden verstärkt ein bereits marodes Gesundheitssystems belasten.
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TTIP gefährdet Tierschutz-Standards
Das geplante transatlantische Freihandelsabkommen beschäftigt derzeit nicht nur die nationale und internationale Politik, sondern auch Tierschützerinnen, Tierschützer und Tierschutzorganisationen.
Noch mehr Freihandel a la TTIP machen Tiere noch rechtloser. Nutzvieh würde noch längeren Transporten aussetzen, was auch umweltpolitisch – in Zeiten des Klimawandels – ein nicht hinnehmbarer Wahnsinn wäre. Zudem würden die in der EU ohnehin nicht allzu strengen Tierschutz-Standards weiter reduziert und auf amerikanische Verhältnisse herabgesenkt werden: Monster-Legebatteriebetriebe ab 1 Mio Tieren, Einzelboxen der Kälber oder durchgehende Kastenstandhaltung bei Muttersauen.
Nicht nur die Mega-Agrarkomplexe in den USA, die Millionen Legehennen oder zehntausende Schweine und Rinder beherbergen, stehen den oft noch bäuerlichen Kleinbetrieben in Deutschland und Teilen der EU gegenüber, sondern auch ein unüberwindbarer Kostenunterschied.
Weitere Fortschritte in Sachen Tier-, Natur- und Artenschutz könnten durch diese Art der Freihandelsabkommen praktisch unmöglich werden und mühsam erkämpfte Errungenschaften, wie etwa das Verbot von Käfighaltung bei Legehennen innerhalb der EU, würden dadurch unterminiert
Keine Aushebelung des Vorsorgeprinzips zulassen
Laut dem geleakten Papier droht vor allem eine Aufweichung des in Europa geltenden Vorsorgeprinzips, wonach Substanzen oder Produkte nur erlaubt sind, wenn sie für Mensch und die Umwelt nachweislich ungefährlich sind, durch das in den USA geltende Risikoprinzip ausgehebelt zu werden. In den USA ist alles erlaubt, solange die Gefährlichkeit nicht bewiesen ist.
Durch die Aushebelung des Vorsorgeprinzips könnten in Europa, wie oben beschrieben, bisher umstrittene und nicht zugelassene Chemikalien und Lebensmittel auf den Markt kommen.
Stattdessen droht die Einführung des in den USA angewandten Risikoprinzips, das genau umgekehrt funktioniert: Erst einmal darf alles auf den Markt. Erst wenn eine Schädlichkeit eines Produkts bewiesen werden kann, darf die Behörde zum Schutz der Gesundheit aktiv werden. Das ist auch der Grund, warum in den USA mehr als 170 gentechnisch veränderte Pflanzen für den Anbau zugelassen sind, in Europa nur eine.
Das Abkommen bedroht damit Rechte und Gesetze, die über Jahrzehnte mühsam erkämpft wurden. Die Beibehaltung des Vorsorgeprinzip muss daher oberste Priorität haben.
Angriff auf die Demokratie verhindern
Die Unterlagen zeigen, dass die USA offenbar dagegen sind, private Schiedsgerichtsverfahren für Konzerne durch ein öffentliches Modell zu ersetzen.
Zweitens zeigt sich bei der so genannten regulatorischen Kooperation der Gesetzgebung, dass die USA den Parlamenten einen geringeren Handlungsspielraum bei der Gestaltung von Gesetzen in Umwelt- und Konsumentenschutzfragen einräumen wollen.
Wozu eine „Regulatorische Kooperation“?
Im Kapitel zur regulatorischen Kooperation fordern die USA, dass Regularien, die den Handel hemmen, auch nachträglich zurück genommen werden dürfen. Mit solchen Vorschlägen zur „regulatorischen Zusammenarbeit“ entmachten die Abgeordneten sich selbst. Hinzu kommt, dass durch TTIP Großkonzerne durch die Aushebelung der ordentlichen Gerichtsbarkeit direkt die Gesetzgebung in Schach halten könnten. Die Parlamente legen sich selbst Handschellen an, die vernünftige Gesetze und Verordnungen für ökologische und soziale Standards massiv behindern.
Keine privaten Schiedsgerichte
Die aufgedeckten Papiere zeigen, dass sich der Verhandlungsverlauf zu den Schiedsgerichten und den privilegierten Konzernklagerechten ganz anders darstellt, als Kommissarin Malmström uns Glauben machen will. Von den behaupteten Verbesserungen findet sich in den nun aufgedeckten ausverhandelten Vertragsteilen keine Spur.
Warum benötigen Staaten, deren Gerichte objektiv und unabhängig sind, diese zusätzliche Einrichtung?
Die beteiligten Staaten können sich nicht vorwerfen, dass ihr Rechtssystem nicht funktioniert und ihre Gerichte nicht unabhängig sind. In der zusätzlichen Einrichtung von Schiedsgerichten liegt wohl die Erwartung, die höheren europäischen Standards mit Hilfe dieser Paralleljustiz aushöhlen zu können.
Das wäre die schiere Selbstaufgabe der Eigenstaatlichkeit, das wäre brandgefährlich und kann den Staat, wie wir ihn kennen und schätzen gelernt haben, gefährden.
Fazit und Schlussfolgerungen
TTIP gefährdet aktiv unsere Lebensmittel-, Umwelt-, Konsumentenschutz- und Tierschutz-Standards. Sogar rückwirkend könnte TTIP diese kippen. Dieser Angriff auf die Gesundheit und Umwelt der Menschen muss mit allen Mitteln verhindert werden!
Bei TTIP und CETA geht es in Wirklichkeit vor allem um den
- Abbau der oben aufgeführten Standards
- um private Schiedsgerichte, durch die große Konzerne Staaten verklagen können, weil sie durch strengere Gesetze weniger Gewinne machen würden;
- um die Prüfung aller neuen Gesetze auf Wirtschaftlichkeit: im sogenannten „Rat für Regulatorische Kooperation“ bekommen Konzerne Gesetzesentwürfe vor den Parlamenten zu Gesicht;
- und nicht zuletzt geht es um industriefreundliche Zulassungsverfahren: Nicht mehr das Volk oder Politiker würden über die Zulassung entscheiden, sondern alleine Wissenschaftler, die meist eng mit Konzernen zusammenarbeiten bzw. sogar von diesen finanziert werden.“
Freien Handel durch faire Regeln ermöglichen
Nicht jedes Freihandelsabkommen ist automatisch gut. Freier Handel ist nur dann zu begrüßen, wenn er unter fairen Rahmenbedingungen stattfindet und keiner der Partner unter Druck gesetzt oder über den Tisch gezogen wird. Die aktuellen Entwicklungen deuten allerdings in die komplett falsche Richtung.
Niemand braucht ein Freihandelsabkommen, das die Interessen von Konzernen und Großmächten untermauert und fördert, aber Rechte aller Menschen beschneidet und sie damit klar schlechter stellt! Es spricht auch nichts dagegen, den Freihandel zu stärken, wenn man das Prinzip im Auge behält, die geltenden Standards zu verbessern und nicht zu verschlechtern. So sind die TTIP-Kritiker in der Regel ja auch nicht grundsätzliche Gegner des Freihandels, sondern treten für die Verteidigung von Sozial-, Umwelt- und Lebensmittelstandards ein.
Mehr noch: Sie wollen einer mit Unwahrheiten gespickten Kampagne seitens der TTIP-Befürworter sachlich Gegenwehr leisten, statt den Freihandels-Lobbyisten nach dem Mund zu reden, wie es viele Politiker in der Vergangenheit gemacht haben. Sie pochen mit Recht darauf, dass erst dann über einen Vertrag entschieden wird, wenn klar ist, was darin steht.
Nur Freihandel, der Standards schützt, anstatt sie zu senken, und Arbeitsplätze schafft, statt diese zu vernichten, ist ein unterstützenswerter Freihandel. Freier Handel muss nach fairen Regeln gestaltet werden.
Berechtigte Forderungen
Die Interessen der europäischen Bürgerinnen und Bürger müssen an erster Stelle stehen. Neoliberale Angriffe auf Demokratie und Verbraucherrechte gilt es mit aller Macht abzuwehren!
Dazu gehören die berechtigten Forderungen, keine privaten Schiedsgerichte einzuführen, keine Senkung der europäischen Lebensmittel-, Umwelt- und Arbeitsstandards, keine Schwächung demokratisch gewählter Organe!
Keine Schiedsgerichte
Keine privilegierten Klagerechte für ausländische Konzerne: Die Aufnahme von Investitionsschutz-bestimmungen und privilegierte Klagerechte für Investoren sind abzulehnen. Das betrifft neben dem Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) auch Abkommen wie jenes mit Kanada, zumal Konzerne sonst über kanadische Zweigniederlassungen die gleichen Privilegien durch die Hintertür erlangen könnten.
Staaten müssen Märkte regulierungen dürfen
Regulierungen zum Schutz von ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen sowie der Umwelt dürfen keinesfalls gesenkt beziehungsweise deren zukünftige Anhebung eingeschränkt werden.
Daseinsvorsorge ist ureigenste Aufgabe eines Staates
Die Daseinsvorsorge gehört in die öffentliche Hand. Diese müssen klar und unmissverständlich aus Handelsabkommen ausgenommen werden.
Mit CETA darf TTIP nicht durch die Hintertür eingeführt werden
Im Gegensatz zu den diesbezüglich vergleichsweise in den Kinderschuhen steckenden Verhandlungen zu TTIP steht CETA kurz vor dem Abschluss. Damit droht CETA zum Trojanischen Pferd zu werden. Vor einem baldigen Abschluss des Abkommens CETA mit Kanada, das als „Einstiegsticket für TTIP betrachtet werden muss, kann zu diesem Zeitpunkt nur gewarnt werden.
Viele Aspekte, die in TTIP aktuell verhandelt werden, sind in CETA bereits enthalten, so auch Klagerechte für Konzerne. Abgesehen von kanadischen Unternehmen, haben auch rund 42.000 US-Unternehmen und viele europäische Konzerne Niederlassungen in Kanada. Sie alle könnten dann Kanada oder die EU beziehungsweise ihre Mitgliedsstaaten für ihnen unliebsame Umwelt-, Gesundheits- oder Sozialgesetzgebung klagen.
Dem vorliegenden CETA-Vertrag darf keineswegs zugestimmt werden, da auch darin das Vorsorgeprinzip nicht gilt und damit genmanipulierte Lebensmittel sowie in der EU bisher nicht zugelassene Pestizide verstärkt den europäischen Markt erreichen werden.
Ohne Tranzparenz keine Verhandlungen
Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn die wichtigsten Informationen nur über Enthüllungen von unter Verschluss gehaltenen Dokumenten bekannt werden. Sämtliche Fakten gehören nun auf den Tisch. Die EU-Kommission muss den Verhandlungsstand komplett offen legen.
Dieser Vertrag geht jeden von uns an. Jeder muss nachlesen können, was uns mit TTIP drohen würde. Insgesamt wären über 800 Millionen Menschen von TTIP betroffen, intransparente Verhandlungen sind daher absolut untragbar. Hinterzimmerdeals wie TTIP und CETA passen nicht zu Demokratien. Beide Handelspakte müssen auf Grund dieser Intransparenz sofort gestoppt werden.
Volksbefragung oder -entscheid bei solch weitreichenden Abkommen
Welche Interessen vertreten die Politiker eigentlich, wenn nicht einmal bei solch einem massiven Anschlag auf unsere Lebensmittel und Wirtschaft die Bevölkerung befragt wird? Wir brauchen jetzt eine direkt-demokratische Einbindung der Bevölkerung, denn Handelspakte mit derart weitreichenden Folgen dürfen nicht an den Menschen vorbeiverhandelt- und beschlossen werden.
Die Forderung, sowohl TTIP als auch CETA nicht zuzustimmen bis das Volk entschieden hat ist berechtigter denn je. Jetzt geht es darum, eine Volksbefragung zum Thema zu erreichen.
Wie soll es nun weiter gehen?
Auch wenn die Verhandlungen zu TTIP durch die Veröffentlichungen der Geheimpapiere scheinbar ins Stocken geraten sind, so müssen wir doch weiterhin wachsam bleiben.
Die große Mehrheit der Bevölkerung lehnt TTIP und CETA klar ab. Ein Ende mit Schrecken ist oft besser als ein Schrecken ohne Ende.
Das TTIP-Leak deckt auf, welche Interessen bei den Verhandlungen in die Waagschale geworfen werden. Die Zivilgesellschaft in der EU wie in den USA hat damit eine gute Grundlage, weiter Druck von unten gegen das Abkommen zu machen und für die Interessen der Allgemeinheit zu streiten.
Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen und die Verhandlungen zu beenden
Die Verhandlungen gehen in eine komplett falsche Richtung. Daher kann am Ende auch kein gutes Ergebnis stehen. Durchhalteparolen à la „der Kurs stimmt“ sind auch hier untragbar – die Verhandlungen müssen abgebrochen werden. Mit den aktuellen Veröffentlichungen ist der Zeitpunkt für die Regierungen gekommen einen Schlussstrich zu ziehen und die Kommission zu beauftragen, die Verhandlungen endlich zu beenden.
Alternativen zu TTIP forcieren, die Handel fair gestalten
Als wirtschaftliche Alternative zur EU und zu TTIP & Co gibt es die Europäische Freihandelszone EFTA: Sie besteht aus den Nicht-EU-Mitgliedern Schweiz, Liechtenstein, Norwegen sowie Island und hat nach wie vor aktuelle ausverhandelte Abkommen mit Ländern aus aller Welt. Die Mitgliedsstaaten sind politisch in keiner Weise eingeschränkt, und die Landwirtschaft als besonders sensibler Bereich ist ausgenommen. Im Unterschied zur EU geht es hier wirklich um gute Handelsbeziehungen und nicht um das Niederreißen von jahrzehntelang erkämpften Standards.
gez. Rainer Wermelt, Attac-COE
s. auch Blickpunkt Coesfeld