WN, 15. Februar 2024 „Letzte Generation“ in Münster
Klimaaktivistin klebt nicht mehr
Von Pjer Biederstädt
MÜNSTER. Am Stadtgraben, Von-Vincke-Straße, Steinfurter Straße und Warendorfer Straße: Vier Mal haben Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ in Münster in den vergangenen zwölf Monaten Straßen blockiert. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Die Klimaaktivisten wollen sich nicht mehr am Asphalt festkleben. Ihr Strategiewechsel setzt auch in Münster auf neue Protestformen.
Autofahrer können wohl vorerst aufatmen, dafür könnte es andere treffen: Ab März werde man zu „ungehorsamen Versammlungen“ im ganzen Land aufrufen, teilte die Letzte Generation am 29. Januar mit. Man wolle „die Verantwortlichen für die Klimazerstörung in Zukunft verstärkt direkt konfrontieren“. So sollen etwa Politiker und andere Entscheider „öffentlich und vor laufenden Kameras“ zur Rede gestellt werden.
In Münster sei die Ortsgruppe gerade dabei, die neue Strategie mit Inhalten zu füllen. „Was genau geplant ist, sagen wir natürlich nicht“, betont Chiara Pohl, Aktivistin aus Münster. Nur so viel: „Dass der Protest friedlich ist, bleibt das oberste Gebot.“ Gleichwohl werde es sich um „Aktionen des zivilen Ungehorsams“ handeln. Diese sollen weiter Druck auf die Bundesregierung ausüben, damit diese mehr für den Klimaschutz tut. Die Regierung sei gesetzlich in der Pflicht, die Lebensgrundlagen aller zu erhalten. Dieser Aufgabe käme sie aber nicht nach, findet Chiara Pohl.
Sie persönlich begrüße den Strategiewechsel, weil er zeige, dass die Gruppe sich weiterentwickelt, nicht am Alleinstellungsmerkmal des Klebens festhalte, sondern am Ziel. Zu Beginn, als die „Letzte Generation“ aus zwei Dutzend Menschen bestand, seien aufsehenerregende Aktionen nötig gewesen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Heute gehörten bundesweit mehr als 1000 Menschen der „Letzten Generation“ an, sodass andere Protestformate möglich seien.
Auf zwei weitere Effekte hofft Chiara Pohl durch die Neuausrichtung: Das Ende des Klebens könnte diejenigen anziehen, die zwar mit der Sache sympathisieren, für die das Festkleben jedoch keine Option war.
Und zweitens entfallen die Strafprozesse, die das Festkleben auf den Fahrbahnen nach sich zogen. Zuletzt verhängte das Amtsgericht Münster in zwei Prozessen Geldstrafen gegen mehrere münsterische Aktivisten, darunter auch zweimal gegen Chiara Pohl. „Zuletzt war ich unentschlossen, ob ich mich weiter festklebe, weil als nächstes eine Freiheitsstrafe im Raum steht“, sagt sie. Die Weiterentwicklung der Strategie, so Chiara Pohl, habe ihr insofern eine schwere Entscheidung abgenommen. Den Druck auf die Regierung wolle sie dennoch aufrechterhalten – nur eben nicht mehr mit Kleber zwischen Hand und Asphalt.