„Zu wahr, um schön zu sein“ jetzt als Protestbrief – das neue EEG ein Ärgernis

Sehr geehrter Herr Minister!

So etwas Ärgerliches wie den Referentenentwurf zum neuen EEG habe ich schon seit Jahren nicht mehr gelesen. Seit mehr als 25 Jahren  sind wir in Sachen Regenerative Energien und Elektromobilität als Pioniere unterwegs, machen Öffentlichkeitsarbeit, bauen unsere Häuser um, fahren elektrisch Auto als Vorbild, kombinieren alles nach dem Prinzip der Sektorenkopplung auch noch mit modernen Batteriespeichern, um den Leuten zu zeigen, was heute jeder machen kann, um klimaschädliche Emissionen zu vermeiden, und dann kommt der Referentenentwurf, den jetzt sogar die CSU zu Recht kritisiert. Eigentlich müssten da Referentenköpfe rollen! Es sei denn, ein Minister verfolgt ganz andere Ziele! Dass viele informierte Wähler das nicht mehr ertragen können, hat offenbar auch die CSU erkannt. Der Bürger gibt Gas und die Berliner Politik tritt mit voller Wucht auf die Bremse: Zu wahr um schön zu sein – die Welt könnte so genial sein, aber …

Jahrelang und auch heute, erzählen uns Politiker, die Klimakrise müsse durch technischen Fortschritt gelöst werden. Verzicht und Askese alleine würden es nicht bringen und schließlich lebten wir in einer Marktwirtschaft und nur entlang marktwirtschaftlicher Mechanismen könnten echte CO2-Ersparnisse möglich sein. Die vielversprechende (deutsche) Ingenieurskunst soll es richten, darauf vertrauten die Politiker, so das immer wiederkehrende Mantra insbesondere aus FDP und CDU. Die gute Nachricht: was für eine echte Energie- und damit Verkehrs- und Wärmewende notwendig ist, haben die so hoch gelobten Ingenieure bereits geschaffen: es gibt langlebige, effiziente Photovoltaik-Anlagen, es gibt gute und große Speichermöglichkeiten und es gibt Elektroautos, die wir mit Sonnenenergie vor Ort betanken (könnten). Die Ingenieure haben einen super Job gemacht. Nun ist die Politik gefragt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Marktmechanismen ihre Wirkung entfalten können: die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen steigt ja bekanntlich, wenn man dadurch Geld sparen kann, z.B. könnten Gewerbetreibende ihre großen Dachflächen mit PV-Anlagen ausstatten und damit Elektroautos von Mitarbeitern und Firma laden oder den eigenen Strombedarf dadurch zumindest teilweise decken. Und auch die erhöhte Nachfrage nach Elektroautos würde das Angebot nochmal mehr in Schwung bringen und damit die so oft zitierte schwierige Wirtschaftslage und den Produktionsstandort Deutschland zukunftsfähiger machen.

Man möchte an dieser Stelle erwarten, dass Politiker sich die Hände reiben, um endlich die genialen Errungenschaften hoher Ingenieurskunst mit Hilfe von gesetzlichen Rahmenbedingungen in marktwirtschaftliche Selbstläufer zu überführen und die notwendige Verkehrs- /Energie- und Wärmewende zu vollziehen. Doch was passiert?  Es wird still und heimlich ein Gesetzesentwurf, eine „Novelle“ des EEG vorgelegt, die es Firmen verbietet, selbst erzeugten Strom auch selber zu nutzen, denn der erzeugte Strom muss ins Stromnetz eingespeist und wieder zurückgekauft werden, selbstverständlich ist das nicht besonders wirtschaftlich. Gleichzeitig verkennt das Gesetz (bewusst, das ist das Ärgerlichste) die Möglichkeiten dezentraler Produktion und Nutzung von Strom, die durch mittlerweile sogar industriell herstellbare Stromspeicher realisierbar ist. Die Investition von Privathaushalten und insbesondere Gewerbetreibenden in Photovoltaik wird dadurch in weiten Teilen unwirtschaftlich und überbürokratisiert. Dabei sieht die EU-Richtlinie sogar verpflichtend eine umfassende Bürgerbeteiligung vor, die zwingend auch in deutsches Recht überführt werden muss.

Die Politik schützt so die alte Stromerzeugung mit fossilen Energieträgern, die mit Hilfe unserer Steuergelder jedes Jahr mit 46 Milliarden Euro subventioniert wird, anstatt Bürgern und Firmen Photovoltaikanlagen und Speichermöglichkeiten zu subventionieren und der Bevölkerung zu ermöglichen, sich aktiv an der Energiewende und somit auch wirkungsvoll an der Klimapolitik zu beteiligen. Der Bevölkerung werden die Hände gebunden, sich aktiv in die Bewältigung der Klimakrise einzubringen. Da kommt es den Politikern gerade recht, dass sich die Bürger vor Ort um die schöne Aussicht aus dem eigenen Küchenfenster streiten, die droht durch Windenergieanlagen zerstört zu werden. So können sie sich in aller Ruhe um ein Gesetz kümmern, das den Lobbyisten der fossilen Stromerzeuger ihr Geschäft für die nächsten Jahre zusichert, und weiterhin lauthals schreien, die Ingenieure sollen gefälligst ihren Job machen: diesmal mit der Wasserstoffstrategie, die ja übrigens noch wesentlich teurer und technisch wesentlich schwieriger zu realisieren ist und obendrein eben auch erstmal Energie benötigt, um das Wasser (übrigens in Trinkwasserqualität) überhaupt zu spalten. Die Energie zur Wasserspaltung sollte natürlich auch regenerativ sein, sonst macht es ja überhaupt keinen Sinn. Und davon sind wir noch Jahrzehnte entfernt!

Würden wir nicht im Jahr 2020 leben, dem Jahr, ab dem der CO2-Ausstoß radikal sinken muss, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten und dadurch unseren Kindern und Enkeln eine Chance auf ein ziviles Leben auf der Erde weiter zu ermöglichen, wären es Tränen vor Lachen in meinem Gesicht – über diese Realsatire. Aber so muss ich zusehen, wie sich unsere Jugend und unsere Kinder auf der Straße die Lunge aus dem Hals schreien, damit die Politik endlich handelt und hilft, ihre Zukunft zu retten. Die hat vielerseits aber nichts übrig, außer abfällige Kommentare über die „Klimakinder“. Also wieder Askese und Fahrrad fahren, statt technologischer Fortschritt und E-Autos. Die Politiker sollten sich schämen, das eigene Land aus einer in der Welt geachteten Führungsposition für nachhaltige Technik herauszubremsen. Die Chinesen haben dazu gelernt und haben zum Überholen angesetzt. Die CSU blickt entsetzt auf die große Schwester, die immer mehr ihre aufgeklärten Wähler verprellt.

Warum tut sie so?

Zu wahr um schön zu sein – die Welt könnte so genial sein!

Mit sonnigen Grüßen

Bernd Lieneweg

Agenda21Senden, Sprecher

Ein Gedanke zu „„Zu wahr, um schön zu sein“ jetzt als Protestbrief – das neue EEG ein Ärgernis

  1. Joachim Gogoll

    Leserbrief: „Auch wir sind Energiewende“ vom 2.10.2020

    Man könnte annehmen, ein neues Zeitalter bei den Windkraftgegnern sei angebrochen. Ein Leserbrief endlich mal ohne Schattenwurf, Infraschall und Lärmbelästigung. Sollte es wirklich so sein, dass derartige längst widerlegte Behauptungen vom Tisch seien?
    Doch weit gefehlt. Dafür kommen jetzt noch dickere Hämmer auf den Tisch.
    Fotovoltaik sei die Lösung des regenerativen Energieproblems. Falsch. Es gibt kurz und mittelfristig nicht genug Anlagen, um den Strombedarf allein zu decken. Die Energiewende kann nur durch Wind-, Sonnen-, Wasser- und Bio-Energie erreicht werden. Zurzeit werden nur ca. 7,5% des Strombedarfs durch Fotovoltaik gedeckt.
    Das Thema Wasserstoff wurde in der Bundesrepublik bisher weitgehend verschlafen. Die Behauptung des Leserbriefschreibers, die Entwicklung im Bereich Wasserstoff als Energieträger sei weit vorangeschritten, ist ebenfalls falsch. Forschungen zu dem Thema sind bisher erfolgt, eine bedeutende und sichere Marktreife allerdings gibt es zurzeit nicht. Außer natürlich in den Werbeprospekten der Industrie. Mal abgesehen davon ist die für die Produktion, Lagerung und den Transport notwendige Infrastruktur bis heute nicht vorhanden. Dieses Fehlen kann auch in wenigen Jahren nicht ausgeglichen werden. Es scheint den Windkraftgegnern außerdem nicht klar zu sein, dass für die Produktion von Wasserstoff ungeheuer große Mengen an Strom gebraucht wird. Nur wenn dieser Strom nachhaltig gewonnen werden kann, dann kann Wasserstoff seine positiven Auswirkungen haben. Genug Elektrizität aus regenerativen Energien ist zurzeit nicht vorhanden. Also ist auch keine Energiewende durch Wasserstoff in naher Zukunft in Sicht.
    Zum Schluss ist auch die Mitleidsmasche der Gegner , die „die Lebensqualität der umliegenden Bewohner hinten anstellt und herabsetzt“ nur noch peinlich. Übrigens: wo Gegenwind drauf steht ist meistens keine Energiewende drin.

    Joachim Gogoll
    (bisher wurde meine Antwort darauf von der WN nicht veröffentlicht)

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