„Wer einmal eine Horde Schweine live erlebt hat, weiß, wie agil diese Tiere sind. Bioland-Schweine haben deshalb immer genug Stroh zum Spielen und Wühlen im Stall. Dazu gibt es getrennte Liege- und Kotplätze und einen Auslauf – denn wann immer es geht, dürfen die Schweine ins Freie: Dort können sie schnuppern und spielen, Sonne tanken oder im Schlamm wühlen.“ So Bioland im Netz.
Eine Gruppe der Kreis-GRÜNEN und der Agenda21Senden besuchte am 6.8. den Biohof von Jan Spliethofe.
Mit 75 Zuchtsauen, dem Mästen des Nachwuchses und der anschließenden Vermarktung des Biofleisches unter Einbeziehung der diversen Fördermöglichkeiten ernährt Jan seine 5-köpfige Familie. Auch die anfangs skeptischen Eltern leben auf dem Hof. Sichtlich Freude an der Arbeit haben Vater und Sohn. Und ihr Auskommen. Millionäre wollen sie nicht werden. Einen Azubi leisten sie sich auch noch, die Nachfrage nach einer ökologisierten Ausbildung ist groß. Die Landwirtschaftsschulen bieten dazu ganz wenig. Den frischen Wind der Jugend und ihre quirlige Kreativität weiß Jan zu schätzen. Mit Krankheiten oder gar Todesfällen seiner relativ frei lebenden Tiere hat er kaum Probleme. Auffallend wenige Fliegen gibt es auf dem Hof. Die konzentrieren sich auf dem riesigen Misthaufen, wo sich auch die Schwalben scharen. Der Mist und die vom Regen ablaufende Gülle kommen zu passender Zeit wieder auf den Acker.
Was macht ein Biobauer grundlegend anders? Er spritzt nicht, die Beikräuter bekommt er durch eine 10-fache Fruchtfolge und regelmäßiges Striegeln der Ackerfläche in den Griff. Die Schweineställe sehen ganz anders aus. Einen Kredit von einer Dreiviertel Million für den Neubau zu bekommen, war unproblematisch. Eigene Ideen des praktisch veranlagten Jung-Landwirts konnten realisiert werden. Das Dieselproblem für das deutlich vermehrte Ackern eines Biobauern ist Jan bereit, durch einen elektrisch angetriebenen Traktor zu lösen. Strom von der eigenen PV-Anlage gibt es reichlich. Und Speicher für die Schnellladung in den Arbeitspausen werden immer preiswerter. Die Zusammenarbeit mit unserem Energie-Experten ist vorprogrammiert.
Für den Erfolg eines Biohofes ist das Käufer-Verhalten grundlegend. Aber da tut sich was. Großketten wie Edeka, aber auch die Discounter sind Abnehmer. Warum Edeka in Senden kein Biolandfleisch verkauft, wäre zu ergründen. Die Macht des Kunden sollte Abhilfe schaffen, da sind wir gefragt! Man kann bei Jan natürlich auch direkt einkaufen. Wie und wann das geht, steht im Internet.
Seit 1975 wurde unser Hof auf konventionelle Art mit Schweinehaltung und Ackerbau bewirtschaftet. Mit der Hofübernahme im Jahr 2013 entschieden wir, Jan und Simona Spliethofe, die Führung des in dritter Generation geführten Betriebs auf ökologische Bewirtschaftung umzustellen.
Seit 2016 arbeiten wir nun mit unseren 75 Sauen und 69 ha Ackerland auf ökologische Art und Weise, nach den Richtlinien von Bioland. Unsere Familien und Freunde, viele Bekannte und Interessenten haben uns durch die Umbauphase und die Umstellung mit ihrer Hilfe, Unterstützung und positiven Feedbacks hindurch gestärkt und in unserem Handeln bestätigt. Auch unsere Tiere zeigen uns täglich durch ihr Wohlbefinden und ihre zufriedene Art die Bedeutsamkeit unserer Entscheidung.
Das tägliche Arbeiten mit unseren Tieren und der Natur hat nunmehr die Natürlichkeit und dessen Nachhaltigkeit auf unseren Hof geholt. Wir stehen am Anfang unseres Projektes und freuen uns sehr auf die kommenden Jahre mit dem natürlichen Genuss von unserem Bio-Schweinefleisch.
Nur BIO kann die Zukunft sein! —–
Chancen der Zukunft in der Landwirtschaft
Dr. Anita Schwaier
Angermünde, 02. 07. 2018
Internationale, europäische und nationale Gutachten stimmen überein: Eine Fortsetzung der Landwirtschaft in ihrer jetzigen Form würde zum Kollaps des Ökosystems der Erde führen. Neben Flächenverlust durch Überbauung ist die entscheidende Ursache der weltweite Verlust an fruchtbarem Boden durch eine falsche Bewirtschaftung (1-4). Wenn nun aber die vorherrschende agro-industrielle Bodenbearbeitung nicht nachhaltig ist, wie soll es dann weitergehen?
!. Worauf es ankommt
Um die große Zahl von Menschen gesund zu ernähren, brauchen wir eine hohe Produktivität der Agrarflächen. Die Fruchtbarkeit von Ackerböden – und damit die Ertragsleistung – hängt wesentlich von ihrem Humusgehalt ab. Im Humus befinden sich Milliarden von Kleinlebewesen, Bakterien und Pilze. Sie benötigen für ihre Stoffwechseltätigkeit Energie. Die gewinnen sie aus verrottender Biomasse. Mit ihrer Aktivität lockern sie den Boden und sorgen für Zutritt des benötigten Sauerstoffs. In einem gut entwickelten Humus werden die Pflanzenteile in einer Abbaukaskade – die Ausscheidungen der einen sind Nahrung der nächsten – vollständig abgebaut. Die aufeinander abgestimmten Bodenlebewesen liefern damit unseren Nutzpflanzen die Mineralien und Spurenstoffe, die sie zum Wachstum benötigten.
Kunstdünger, der in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt wird, liefert keine Energie. Pestizide hemmen oder töten langfristig einen Teil der Bodenlebewesen. Dadurch wird das komplexe, harmonische Ökosystem des Bodens in seiner Funktion gestört. Die wichtigste Aufgabe für die Ernährung der Menschheit in der Zukunft liegt daher im Aufbau einer vitalen Humusschicht und in der Abkehr von den bisherigen Strategien.
2. Wie ist das Ziel zu erreichen?
Weltweit liegen umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen des Ökologischen Landbaus und der großflächigen Agrarökologie vor, die eindrucksvoll zeigen, wie sich die Bodenqualität durch Humusaufbau verbessern lässt und Ernteerträge erzielt werden können, die denen der jetzigen konventionellen Landwirtschaft sehr nahe kommen oder sie sogar zu übertreffen – dies gilt besonders bei ungünstiger Witterung (5, 6). Zahlreiche Strategien finden Anwendung. Die wichtigsten Prinzipien sind:
2.1 Düngung mit organischem Substrat
Um das Bodenleben zu erhalten, muss organische Substanz zugeführt werden. Die Substrate hierfür sind im Ackerbau Zwischenfrüchte (nach der Ernte aufwachsende Pflanzen, die im Winter absterben oder eingepflügt werden), Stroh, Erntereste von Krautpflanzen, Kompost (auch aus kommunalen Kompostieranlagen) und Mist aus der Tierhaltung.
2.2 Fruchtwechsel
Ein häufiger Wechsel der Feldfrucht mit 4-7 Fruchtarten führt zur Erhöhung der Biodiversität im Bodenleben. Zugleich wird eine Massenvermehrung von Schädlingen, die in der Regel artspezifisch sind, verhindert. Die Integration von Leguminosen (Hülsenfrüchtler, z.B. Bohnen) in den Fruchtwechsel erhöht den Gehalt an Stickstoff. Eine hohe Biodiversität im Boden erleichtert ferner die Anpassung an Klimaschwankungen.
Die Wahl der optimalen Arten und ihre Reihenfolge müssen dabei an die regionalen Verhältnisse angepasst sein. Das erfordert Wissen, Erfahrungsaustausch und Beobachtung. Priorität müssen ökologische Kriterien haben und erst an zweiter Stelle die Marktpreise.
2.3 Unterstützung mit Bakterienkulturen
Im ökologischen Landbau wird zur Beschleunigung des Humusaufbaus der so genannte Komposttee eingesetzt, Sickerflüssigkeit, die aus Komposthaufen austritt. Komposttee enthält in hoher Konzentration eine Mischung aus einer Vielzahl unterschiedlicher Bakterien und Pilzsporen. Durch sie wird die Verrottung auch von sonst nur langsam verrottenden pflanzlichen Bestandteilen beschleunigt. Beim bakteriellen Abbau der abgestorbenen Pflanzenteile werden Huminsäuren gebildet. Huminsäuren geben dem Boden ein hohes Aufnahme- und Speichervermögen für Wasser. Diese wichtige Fähigkeit des Bodens wird durch die erhöhte Tätigkeit der Bakterien ebenfalls erhöht.
Eine relativ neue Entwicklung sind sie die so genannten Biologicals. Sie können sind für die Zukunft von hoher Bedeutung werden.
Unter den Bakterien im Boden befinden sich Arten, die für die angebauten Feldfrüchte besonders nützlich sind. Sie befinden sich an der Oberfläche der Wurzeln und leben in einem symbiontischen Verhältnis mit der Pflanze. Die Pflanze liefert ihnen Energie in Form von Kohlehydraten und Aminosäuren, dafür bekommt die Pflanze Mineralien und Schutzstoffe (Enzyme, Phytohormone) von den Bakterien. Ein bekanntes Beispiel sind die Knöllchenbakterien, die Luftstickstoff binden und für die Pflanze nutzbar machen. Andere Arten verdrängen z.B. als Konkurrenten pathogene Arten.
Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit findet weltweit Forschung zu den Möglichkeiten statt, Wachstum und Widerstandskraft der Nutzpflanzen mit bestimmten Bakterienkulturen im Bodenbereich zu erhöhen, seien es Resistenz gegen Schädlinge, Toleranz gegenüber hohem Salzgehalt oder Trockenheit, oder die Erhöhung der Mobilisierung von Phosphat aus der Bodenmatrix.
Agrarkonzerne wie Bayer und BASF investieren Millionen in Forschungsprojekte zur Entwicklung von Bakterienkulturen, die das Wachstum und die Krankheitsresistenz von Feldfrüchten erhöhen. Dem Saatgut beigefügt, schützen und unterstützen sie den Keimling in seiner Entwicklung. In Feldversuchen hat sich der Einsatz von Bakterienkulturen bei bestimmten Pflanzenarten bereits bewährt. Erste Produkte sind schon auf dem Markt: in USA hat Bayer-Crop Science das Produkt Votivo® entwickelt, dessen Bakterien die Wurzeln des Saatgutkeimlings vom Nematodenbefall (Fadenwürmer) schützen und zusätzlich das Wurzelwachstum anregen (allerdings ist das Präparat bisher nur in Kombination mit einem Fungizid erhältlich). In Deutschland, Dänemark, Frankreich, China wird an Landesanstalten, Universitäten und kommerziellen Anbietern von Pflanzenschutzmitteln für den ökologischen Anbau – meist in Kooperation mit den Chemie-Konzernen – an der Entwicklung von Bakterienkulturen gearbeitet, die chemisch-synthetische Mittel ersetzen können.
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2.4 Wurzelpilze
Auch Mykorrhiza-Pilze stehen im Zentrum des Interesses: Ihnen kommt eine besondere Bedeutung für die Bodenqualität zu. Die Pilze befinden sich innerhalb und außerhalb des Wurzelgewebes. Ihre Zellen senden extrem feine Fäden – die Hyphen – in den Boden. Mit der Pflanze leben sie in Symbiose: Die Pflanze liefert ihnen Energie in Form von Wurzelexsudaten. Das Wachstum der Pilzfäden wird durch die Wurzelexsudate stimuliert. Die Pilzfäden leiten Wasser und Mineralien zu den Wurzeln. Die extrem feinen Wurzelhaare dringen in feinste Spalten der Erdkrume ein und vergrößern so die Oberfläche der Wurzeln erheblich. Sie erhöhen damit die Wasserverfügbarkeit und Trockenresistenz für die Pflanzen. Die Mykorrhiza-Pilzfäden sind in der Lage, fest gebundene Mineralien, insbesondere Phosphat, aus dem Gestein zu lösen und für die Pflanze verfügbar zu machen. Sie scheiden Glomalin aus, ein Klebstoffartiges Glykoprotein, das dem Boden eine Krümelstruktur verleiht. Es besitzt ebenfalls eine hohe Speicherkapazität für Wasser, lockert das Bodengefüge und erleichtert damit das Wurzelwachstum. Der Anteil an Kohlenstoff-Atomen im Glomalin ist besonders hoch und trägt deutlich zur Kohlenstoff-Speicherung des Humusbodens bei.
Seit einigen Jahren gelingt es, Mykorrhiza-Pilze im Labor zu züchten und auf die Freisetzung von Phosphat zu optimieren. Das ermöglicht die Entwicklung pflanzenspezifischer Sporenpräparate mit dem Ziel eines weitgehenden Verzichts auf wasserlöslichen Mineraldünger, wie das in der ökologischen Landwirtschaft praktiziert wird.
3. Bedeutung der Biologicals für die Zukunft
bisherige Erfolge mit dem Einsatz von Bakterien zur Bekämpfung von Schädlingen zeigen in eine gute Richtung. Auch zur Ertragssteigerung können Bakterien und Mykorrhiza-Pilze beitragen. Zugleich muss jedoch die Pflanzenzüchtung verändert werden: „Weil die Pflanzen darauf selektioniert wurden, unter extrem hohen Nährstoffbedingungen zu wachsen, haben sie oft die Möglichkeit verloren, mit Bakterien zu interagieren. Wir haben asoziale Pflanzen erschaffen, die die Eigenschaft verloren haben, diese Bakterien zu Hilfe zu rufen, die sie benötigen“ (Zitat Alexandre Jousset, Universität Utrecht).
Angesichts der regional sehr unterschiedlichen Bodentypen, der klimatischen Bedingungen und entsprechend verschiedener Lebensgemeinschaften im Boden sind standardisierte Bakterienkulturen für standardisiertes Saatgut, wie es die Konzerne anstreben, keine Zukunftsperspektive.
Eine Regeneration der Böden ist ohne die Berücksichtigung des komplexen Systems von Pflanzen, Kleinlebewesen, Bakterien und Pilzen nicht zu erreichen. Bisher gleicht das Geschehen unter der Erde noch einer Blackbox. Aktuelle Forschungsergebnisse lassen erkennen, dass das gesamte mikrobielle System mit der Pflanze interagiert (7).
Ohne die Anwendung der Prinzipien des Ökologischen Landbaus ist ein signifikanter, dauerhafter Erfolg nicht zu erwarten. Die Biologicals können die Regeneration der biologisch verarmten Böden voraussichtlich unterstützen. Der Prozess setzt jedoch einen Strukturwechsel in der Landwirtschaft voraus, der bisher auf erbitterten Widerstand der Industrie stößt.
4. Schlussfolgerung
Für eine zukunftsfähige, ertragreiche Landwirtschaft ist der Aufbau einer fruchtbaren Humusschicht auf landwirtschaftlichen Böden zwingend erforderlich. Die Züchtung von Mikroorganismen eröffnet sowohl bei der Schädlingsabwehr als auch bei der Erschließung der Nährsalze im Boden neue Möglichkeiten. Allerdings nicht als Einzelmaßnahmen, sondern als Teil eines regional angepassten ökologischen Umbaus. Hierfür müssen Entwicklungen der Vergangenheit überwunden werden. Erforderlich sind insbesondere:
Schulung und Beratung von Landwirten zum Humusaufbau
Forschungsgelder zur Entwicklung neuer ökologischer Methoden
Unterstützung ökologisch arbeitender Betriebe durch Infrastrukturmaßnahmen, Erleichterungen bei der Vermarktung und beim Personalmanagement
Aufgabe der großflächigen Monokulturen
Wechsel zu einer Bodenbearbeitung mit leichten Maschinen zur Vermeidung von Bodenverdichtung
Kein Anbau von Pflanzen für die Energie-Erzeugung
Verminderung der Tierproduktion und bodenverträgliche Behandlung der Fäkalien
Entwicklung eines Systems zur Quantifizierung und Honorierung des Humusaufbaus als klimawirksame Kohlenstoff-Senke.
Literatur
(1) Allein in Europa gehen durch schlechte Bodenbewirtschaftung jährlich rund 970 Millionen Tonnen fruchtbarer Boden verloren, weltweit sind es 24 Milliarden Tonnen. Aus: United Nations Conventionn to Combat Desertification (2017)
(2) Andrea Beste (2015): Down to Earth – Der Boden, von dem wir leben – Zum Zustand der Böden in Europas Landwirtschaft. Studie DIE GRÜNEN Europa-Parlament
(3) Bodenatlas (2015): Daten und Fakten über Acker, Land und Erde. Heinrich Böll Stiftung
(4) Food and Agriculture Organization of the United Nations), Main Report (2015): Status of the World’s Soil Resources. ISBN 978-92-5-109004-6
(5) John P. Reganold, Jonathan M. Wachter (2016): Organic Agriculture in the twenty-first Century. Nature Plants, Article Number 15221 (Review)
(6) Ponsio, Lauren C., Leithen K. M’Gonigle, Kevi C. Mace, Jenny Palomino, Perry de Valpine, and Claire Kremen (2014): “Diversification Practices Reduce Organic To Conventional Yield Gap,” Proceedings of the Royal Society B 282:20141396. http://dx.doi.org/10/1098/rspb.2014.1396
(7) Stéphane Hacquard et al. (2017): Interplay Between Innate Immunity and the Plant Microbiota Annual Review of Phytopathology Vol. 55:565-589
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Siehe auch: „Die Humusrevolution“ —- http://www.humusrevolution.de
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