Mikroorganismen betreffen nicht nur die Gesundheit von Nutzpflanzen und Nutztieren. Sie sind darüber hinaus unverzichtbare Stoffumsetzer von Biomasse und durchziehen sämtliche agrarischen Bereiche vom Boden über Nutzpflanzen bis zum Verdauungstrakt der Nutztiere. Die Erforschung der Funktionalität mikrobieller Metagenome über unterschiedliche landwirtschaftliche Produktionssysteme und Skalenebenen hinweg birgt ein großes innovatives Potenzial.
Mikrobiome durchziehen sämtliche belebten agrarischen Domänen. Neben den Aspekten der Gesundheit von Boden, Pflanze und Tier sind sie am Auf- und Abbau von (Bio)Masse maßgeblich beteiligt. Landwirtschaft ohne Mikrobiome ist unvorstellbar.
Hintergrund:
Vor einigen Jahrzehnten hatte die Mikrobiologie in der Landwirtschaft allenfalls Bedeutung in Bezug auf die Diagnose von Tier- und Pflanzenkrankheiten. Heute wissen wir, dass die genetischen Ressourcen, die durch Mikroorganismen zur Verfügung gestellt werden, für die Produktivität der Landwirtschaft von fundamentaler Bedeutung sind. Dabei spielt das Mikrobiom sowohl als „Stoffumsetzer“ in Abbau und Aufbau von Biomasse eine entscheidende Rolle als auch als wichtiger Faktor im Bereich Gesundheit, Immunität und Resistenzen von Nutzpflanzen und Nutztieren gegenüber pathogenen Faktoren. Ohne die Einbindung des Mikrobioms ist eine nachhaltige Landwirtschaft schlichtweg nicht möglich. Moderne Managementstrategien müssen deshalb die Mikroflora agrarischer Systeme und ihre Leistungen als Kernelemente einer robusten und leistungsfähigen pflanzlichen und tierischen Erzeugung in ihre Konzepte mit einbinden. Dies gilt umso mehr, da durch den globalen Wandel (Klimaänderungen und intensivierte Landwirtschaft) nachhaltige Handlungsoptionen dringend erforderlich sind. Das Mikrobiom der Pflanzen wird heute schon als das „zweites Genom der Pflanzen“ bezeichnet. Mikroorganismen im Wurzelraum sind für die Nährstoffumsetzung und deren Transport in die Pflanze verantwortlich, und sind damit entscheidend für den Pflanzenertrag. Darüber hinaus schützen Bakterien und Pilze die Pflanzen durch „Biokontrolle“ direkt vor dem Befall durch phytopathogene Organismen oder induzieren eine Art „Immunantwort“ in der Pflanze, was die Pflanze widerstandsfähiger gegen Krankheitserreger macht. Letztendlich tragen Mikroorganismen so zu einer verbesserten Resistenz von Pflanzen gegenüber biotischen und abiotischen Stressoren bei. Es ist nicht verwunderlich, dass im Bereich „Pflanzenzüchtung“ seit kurzem gezielt versucht, die Struktur und Funktion des pflanzenassoziierten Mikrobioms zu beeinflussen. Aber auch der Einsatz von mikrobiellen Inokula, welche das Pflanzenwachstum stimulieren können, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Das Mikrobiom des Bodens trägt nicht nur zu einem nachhaltigen Pflanzenwachstum bei, sondern steuert auch andere wichtige Ökosystemdienstleistungen, wie die Kohlenstoffspeicherfunktion von Böden oder das Potential von Böden, Schadstoffe abzubauen oder festzulegen und damit das Grundwasser zu schützen. Daneben sind Bodenmikroorganismen und deren Aktivität aber auch wesentlich an der Bildung klimarelevanter Spurengase im Boden beteiligt. Auch die Bedeutung mikrobieller Polysaccharide für die Strukturbildung im Boden und damit für die Stabilität von Böden und die Resilienz gegenüber Erosion wird in letzter Zeit immer deutlicher. Daher beziehen viele Initiativen, die nachhaltige Bodennutzung vorantreiben und Bodenmanagementstrategien entwickeln wollen, wie z.B. das BonaRes Programm des BMBF (Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie), ausdrücklich die Steuerung der genetischen Ressourcen der Bodenmikroflora in Ihre Strategien mit ein. Das Mikrobiom von Nutztieren beeinflusst in erheblichem Maße die Tiergesundheit und damit auch Ertrag und Qualität von tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Milch, Eier etc. Gerade im Hinblick auf die Diskussion um den Einsatz von Medikamenten in der Tierhaltung (z.B. Antibiotika) eröffnet sich mit der bislang noch kaum untersuchten Rolle des intestinalen Mikrobioms zum Schutz vor Infektionskrankheiten ein hochaktuelles Forschungsfeld. Von besonderer Bedeutung ist das Mikrobiom von Nutztieren allerdings auch als Stoffumsetzer im Verdauungstrakt. Praktisch alle landwirtschaftlichen Nutztiere nutzen die Fähigkeiten des intestinalen Mikrobioms zur Zerlegung unverdaulicher Komponenten des Futters in absorbierbare Nährstoffe. Erst mit Hilfe des ruminalen Mikrobioms sind beispielsweise Wiederkäuer in der Lage, in großem Umfang faserreiche Futtermittel zu verdauen und damit ohne Nahrungskonkurrenz zum Menschen pflanzliche Biomasse in hochwertige tierische Produkte zu transformieren. Die Wechselwirkungen zwischen Mikrobiom und Wirtstier beim kontrollierten Aufbau der Mikroflora des Pansens vom Neugeborenen bis zum voll funktionsfähigen Wiederkäuer und die regulativen Faktoren seiner erstaunlich stabilen Leistungsfähigkeit im Abbau pflanzlicher Biomasse sind bislang noch kaum verstanden. Diese Faktoren sind der Schlüssel für die Kontrolle der Emissionen klimarelevanter Gase (z.B. Methan) und der gezielte Steuerung der Transformationsleistung des ruminalen Mirkobioms z.B. durch mikrobielle Inokula. Aber auch in Randbereichen der landwirtschaftlichen Produktion, zum Beispiel der Herstellung von Honig oder in der Verarbeitung von Milch zu Käse spielen Mikrobiome für die Qualität der Produkte eine entscheidende Rolle, die bis dato kaum untersucht und verstanden ist. Darüber hinaus sind optimierte Leistungen der Mikroflora auch für Betreiber von Biogas von Interesse.
Wissenschaftliche Herausforderung:
Bisher wurden die oben genannten Themenbereiche eher isoliert betrachtet und auf das jeweilige mikrobielle Habitat bezogen. Dies hat zur Folge, dass allgemein gültige Prinzipien der mikrobiellen Ökologie bis dato unerkannt blieben und damit mögliche Synergien im Bereich Mikrobiomforschung und der Nutzung genetischer Potentiale von Mikroorganismen in den Agrarwissenschaften nicht optimal genutzt werden. Dies betrifft sowohl die Frage nach der Allgemeingültigkeit ökologischer Theorien wie den „Zusammenhang zwischen Diversität und Stabilität von Funktionen“ oder der „Bedeutung der Diversität für die Abwehr pathogener Mikroorganismen durch den Wirt“. Es gilt auch als wahrscheinlich, dass zum Beispiel Interaktionen zwischen Mikroorganismen und ihren jeweiligen Wirtszellen bei Tieren und Pflanzen nach vergleichbaren Mustern ablaufen könnten. Auch die Bildung funktioneller mikrobieller Netzwerke könnte wirtsunabhängig erfolgen. Darüber hinaus sind Mikrobiome keinesfalls isoliert zu betrachten. Gerade im landwirtschaftlichen Kontext kommt es zu einer ständigen Vermischung tierischer, pflanzlicher und bodenbürtiger Mikrobiome; zum Beispiel gelangen Teile des Pflanzenmikrobioms beim Fraß in den Körper von Wiederkäuern, umgekehrt werden durch die Exkremente Teile des Tiermikrobioms in den Boden eingetragen. Somit gilt es zu klären, inwieweit hier habitatübergreifende Managementstrategien notwendig und zu entwickeln sind
Arbeitsumfeld:
Durch die Expertisen in den Bereichen Pflanze (u.a. Pflanzenzüchtung, Phytopathologie), Boden (u.a. Bodenstruktur und –chemismus) und Tier (u.a. Tierernährung, Tierzucht) bietet das Hans Eisenmann-Zentrum der TU München am Standort Weihenstephan die weltweit einmalige Möglichkeit, die Rolle von Mikrobiomen in Bezug auf unterschiedliche Produktionssysteme (tierisch und pflanzlich) zu untersuchen und so die oben genannten Fragen zu beantworten. Durch die rasanten methodischen Entwicklungen gerade im Bereich der „omics“ Technologien bietet sich darüber hinaus die Möglichkeit, erstmals mikrobielle Gemeinschaften nicht nur zu beschreiben und Korrelationen zu abiotischen und biotischen Faktoren herzustellen, sondern Mechanismen zu verstehen, die für eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion genutzt werden können. Durch die enge Vernetzung der agrarwissenschaftlichen Arbeitsrichtungen innerhalb des Hans Eisenmann-Zentrum ist eine Betrachtung auf verschiedenen Skalenebenen, „vom Reagenzglas bis auf das Versuchsfeld im Agrarökosystem“, möglich. Durch den engen Kontakt zwischen grundlegender anwendungsbezogener Forschung können mögliche neue Verfahren schnell in die Praxis überführt werden über Grundlagenfeldversuche (u.a. Ökologischer Landbau) hin zur betrieblichen Anwendung (u.a. Hochschule Weihenstephan Triesdorf, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft). Dabei können auch ökonomische Bewertungen erfolgen (u.a. Produktions- und Ressourcenökonomie landwirtschaftlicher Betriebe). Die enge Anbindung an den Campus in Straubing macht es zudem möglich, Fragen zur Rolle der Mikrobiologie bei einer optimierten Produktion und Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen aufzugreifen. Enge Kooperationen bestehen mit Arbeitsgruppen externer Institutionen wie z.B. der Abteilung für Umweltgenomik des Helmholtz Zentrums München. Darüber hinaus ist eine integrative Mikrobiomforschung am HEZ bestens in die bereits bestehenden Initiativen im Bereich Mikrobiologie am WZW eingebunden. Insbesondere zu den Lehrstühlen für Mikrobiologie, mikrobielle Ökologie und Biofunktionalität von Lebensmitteln würden sich starke Synergien ergeben.
Hans Eisenmann-Zentrum für Agrarwissenschaften der TU München
http://www.hez.wzw.tum.de/fileadmin/Kernthemen/HEZ_Mikrobiom_Version_B_Aug_13.pdf